Dienstag, 11. November 2014

11. Kapitel

Am nächsten Morgen war ich zuerst desorientiert, bis mein Blick auf dem Polster des Ebenfallssofas landete, auf dem ich die Nacht verbracht hatte. Im Bett keine zwei Meter entfernt schnarchte meine Oma vor sich hin und ein Zipfel ihres geblümten Nachthemds hing unter der dicken Bettdecke hervor.
Phoenix‘ Seite des Bettes war leer. Nachdem ich mich angezogen hatte, fand ich sie unten im Schankraum, wo sie ein ausgiebiges Frühstück genoss. Da es auch Toastbrot und Nutella gab, sprach nichts dagegen, dass ich mich dazusetzte. Die Eingangstür sah aus als wäre sie heute schon mindestens einmal aufgeschossen worden.
Eine Weile später wankte Blue schlaftrunken nach unten, seine blauen Haare in alle Himmelsrichtungen abstehend. Auf seiner viel zu großen Nase thronte eine Brille.
„Hey, die hattest du aber gestern noch nicht auf!“, begrüßte ich ihn.
„Kontaktlinsen“, nuschelte er, gähnte und ließ sich auf einen der Stühle plumpsen. Dann begann er sich ein Croissant mit Marmelade zu bestreichen, auch wenn ich keine Ahnung hatte wie er das anstellte. Er schaffte es nämlich dabei seine Augen fast vollständig geschlossen zu halten.
Meine Oma war das Gegenteil von Blue als sie nach unten kam. Sie hatte ihr Blumennachthemd gegen eine nicht minder bunte Bluse in Lila- und Gelbtönen eingetauscht und bestrich sich fröhlich summend ein Brötchen.
„Kann die bitte wer abstellen?“, grummelte Blue.
„Ach papperlapapp. Was du brauchst ist ein vernünftiger Kaffee!“, beschloss meine Oma und schenkte ihm eine großzügige Tasse ein.
Nach ein paar Schlucken schien es ihm tatsächlich etwas besser zu gehen. Soviel besser zumindest, dass wir den weiteren Tagesablauf besprechen konnte, ohne dass er uns an die Gurgel ging.
Irgendwann ging das Gespräch darin über was für Liebesgeschichten man in seinen letzten NaNos eingebaut hatte. Da konnte ich nicht mitreden und Blue beteuerte, dass er Liebesgeschichten verabscheue und noch nie eine eingebaut habe. Er ließ sich die beiden einfach unterhalten und genoss derweil seinen Affe…
„Moment, wo ist mein Kaffee?!“, schrie er und starrte auf den Affen, der sich plötzlich auf seiner Untertasse räkelte.
„Oh, du hast eine von denen erwischt.“ Der Wirt war gerade dabei gewesen ein zusätzliches Scharnier an der Tür anzubringen als er den Affen auf Blues Teller bemerkte. „Einige dieser Kaffeetassen verwandeln sich gern in Affen. Oder Asseln. Du hattest noch Glück, würde ich sagen.“
„Und was soll ich jetzt mit dem Vieh machen?“
„Totenklopfäffchen.“
„Was?“ Blue starrte Phoenix entgeistert an.
„Das ist ein Totenklopfäffchen. Es klopft auf Tote.“
„Super“, fauchte er. „Ich wiederhole: Was soll ich mit dem Vieh?“
„Also hierbleiben kann es jedenfalls nicht“, meinte der Wirt stirnrunzelnd. „Das verscheucht mir die Gäste.“
„Ach nee.“ Blue starrte angewidert auf das, was einmal sein Kaffee gewesen war und ihn nun aus großen Augen ansah. „Bah.“
„Dann müssen wir ihn wohl mitnehmen“, seufzte Phoenix. „Pack ihn doch einfach in die vordere Tasche deines Rucksacks, Blue.“
„Ich soll was?“
„Vielleicht finden wir ja unterwegs jemanden, der ihn uns abnimmt.“
Notgedrungen kam der Affe mit. Ich fand ihn ja eigentlich ganz niedlich, mit den schwarzen Knopfaugen und den ebenso schwarzen Totenköpfen, die sich als Muster in seinem Fell abzeichneten.
Direkt nach dem Frühstück ging es los. Jeder trug seinen Rucksack, außer meiner Oma, deren Sachen sich in meinem befanden. Sie hatte nur ihre große, schwarze Handtasche und ihren Regenschirm dabei, mit der Begründung „man kann ja nie wissen wie das Wetter wird“.
Direkt vor der Drachenschenke fiel mir allerdings eine große Fläche auf, die mir seltsam vorkam. Sie löchelte.
„Was ist das da?“
„Geh da besser nicht zu nah ran“, erklärte Phoenix. „Das ist das Morgenloch. Die Leute aus der Schenke versuchen seit Jahren es zuschütten zu lassen, aber es scheint bodenlos zu sein.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Außer morgens. Da sieht man den Boden. Aber alles, was man reinwirft, verschwindet spätestens mittags wieder. Das Morgenloch eben.“
Ich war versucht mir ein Seil umzubinden und Blue zu bitten mich zu halten, um zu sehen ob man gerade den Boden erkennen konnte. Die anderen waren jedoch schon weitergegangen und so schloss ich mich notgedrungen an. Außerdem war ich mir nicht sicher, ob Blue mich nicht als Scherz fallen lassen würde.
„Warum gehen wir eigentlich erst zum Sonnenschrein? Wollten wir nicht zum Kloster der Wunder?“ Ich hielt dem Affen, der aus dem Rucksack lugte, ein Stück Toast hin, das ich als Wegzehrung mitgenommen hatte. Gierig verschlang er es. „Kaffee ist doch ein guter Name.“
„Häh?“ Blue schielte auf den Affen, den er so bestimmt nicht sehen konnte.
„Naja, er braucht doch einen Namen.“
„Vergiss es. Den werden wir bei der nächsten Gelegenheit los!“
„Dann warum der Sonnenschrein?“
„Beten hat noch nie geschadet“, war seine Antwort. „Außerdem liegt es auf dem Weg.“
Was noch auf dem Weg lag waren jede Menge neue Geschöpfe mit seltsamen Namen. Am besten gefiel mir das Buchstabenzusammenwürfelgnu, das unheimlich wichtig für den NaNo sein musste, da es neue Wörter erschuf. Gefährlicher hingegen war das Rasiermesserschaf. Die Wolle war… nun ja, sehr kratzig. Sie wurde, wie mir Blue berichten konnte, zur Waffenproduktion genutzt. Der Job die zu züchten war aus naheliegenden Gründen unheimlich gefährlich und die meisten Schäfer waren froh noch mehr als fünf Finger insgesamt zu haben – was fürs Schreiben wohl eher kontraproduktiv war.
Um die Mittagszeit herum erreichten wir den Sonnenschrein. Der war, wie meine Oma mir in Schreibstadt erzählt hatte, der Ort, an dem sich die Kaffeequelle befand. Das fand vor allem Blue gut, da sich sein Morgenkaffee ja in einen Affen verwandelt hatte.
„Zu was für Göttern betet man im NaNo-Land denn?“
Ich musterte den Tempel, den wir immer näher kamen. Wieder waren Säulen zu erkennen und ich fragte mich langsam, ob das Pilzizeigebäude, das Gemeindehau und der Sonnenschrein denselben Architekten gehabt hatten.
„Entweder zu einem Gott, dem die Krieche verpflichtet ist, oder den Göttern des NaNo-Landes. Und das sind ewig viele. Dieser Tempel ist vor allem für den Sonnengott, die Kreisgöttin und die Göttin der flinken Finger.“
„Kreisgöttin?“
„Ja. Die ist zuständig für geometrische Figuren und kann nur durch kugelrunde Gegenstände besänftigt werden. Wenn sie sauer ist, läuft nämlich nichts mehr rund.“ Blue, der nach seinem Besuch bei der Kaffeequelle erheblich bessere Laune hatte, gab Kaffee, dem Affen, ein Stück Brot nach hinten. „Und warum wir zur Göttin der flinken Finger beten kannst du dir ja denken.“
Tatsächlich wurden wir bereits erwartet. Am Tempeleingang warteten ein Priester und eine Priesterin auf uns.
„Der Sonnengott hat uns berichtet, dass ihr kommen werdet. Helden, die das NaNo-Land vor den Plotbunnys retten wollen“, sagte die Priesterin.
Die weiße Robe, die sie trug und auf die ein Sonnenzeichen gemalt war, blendete mich im hellen Sonnenlicht. Tatsächlich war es ein erstaunlich guter Tag für Anfang Oktober. Moment… hatte sich die Robe gerade bewegt?
Ich rieb mir die Augen – nur um zu sehen, dass mich ein Augenpaar aus den Falten der Robe anschaute. Sie waren groß und rund und fast schwarz; beinah erinnerten sie mich an die Augen der Plotbunnys.
„Was zum…“
Die Robe bewegte sich wieder und auf einer Seite entdeckte ich ein paar Flossen, die nahtlos in den Stoff übergingen. Nur war das kein Stoff und das war keine Robe. Das war eine lebendige Robbe!
„Entschuldigen Sie… tragen Sie da eine Robbe?“ Ich konnte mich nicht zurückhalten und deutete auf das was ich bis vor Kurzem noch für ein Kleidungsstück gehalten hatte.
„Natürlich. Das ist eine heilige Robbe der Sheba, Göttin der flinken Finger. Es sind magische Robben, die, als Robe getragen, dem Träger Glück und Erfolg bringen. Und flinke Finger natürlich.“ Die Priesterin kraulte die Robbe unterm Kinn, die daraufhin ein zufriedenes „Oi, oi, oi“ hören ließ. „Außerdem sind es vollkommen bisssichere Wesen, was äußerst praktisch ist wenn man Vampiren über den Weg läuft.“
Auch der Priester streichelte das, was keine Robe, sondern eine grau-melierte Robbe war. „Kommt herein. Dieser Teil des Tempels gehört der Göttin Sheba.“
Es wurde sofort klar warum. An allen Wänden waren Zeichnungen von Robben in alle Farben zu sehen, einige davon als Robe getragen, andere in ihrem natürlichen Lebensraum. Der ganze Tempel war bestückt mit Fanfähnchen und Elendsteinen, die, so die Priesterin, hässliche, unansehnliche Verwandte des Edelsteins waren und als Symbol peinlicher Tippfehler gehandelt wurden.
Ich sah mich um und beobachtete die anderen dabei wie sie Opfer darbrachten und um Glück baten. Dabei wäre ich mir eher komisch vorgekommen, da ich genau heute von der Existenz der Götter erfahren hatte. Wobei ich an die Existenz besagter Götter noch nicht ganz glauben mochte. Die Priester schien das nicht zu stören, denn sie ließen mich den Tempel erkunden. Als wir gehen wollten, kam jedoch die größte Überraschung.
„Nehmt diese heiligen magischen Robben. Wenn euer Auftrag erfüllt ist werden sie von allein zu uns zurückkehren. Bis dahin werden sie euch Glück bescheren und euch warm halten.“ Die Priesterin verneigte sich und Tempeldiener hielten jedem von uns eine Robbe hin.
Mein Tier war ein grau-blaues Geschöpf mit einem fast unsichtbaren Muster auf der Haut. Es grunzte erfreut als ich es in den Arm nahm und formte sich sofort zu einer Robe, die mir perfekt passte. Es war ein befremdliches Gefühl seine Kleidung atmen zu spüren.
Meine Oma hatte eine schneeweiße Robbe bekommen, die sehr gut zu ihrer wieder einmal lilanen Kleidung passte. Phoenix‘ Robbe war eher graustichig, genau wie die Regenjacke die sie vorher getragen hatte. Wobei sie steif und fest behauptete es handle sich bei dem Material, aus dem die Jacke gemacht war, um Drachenhaut. Blue hatte seine schwarze Robbe über dem Arm liegen, weil er meinte, in der Sonne würde ihm darin zu warm werden.
„Als Priester könnt ihr mir doch bestimmt ein Schutzomelette überlassen“, meinte er.
Phoenix sah ihn missbilligend an. „Wir haben gerade heilige Robben bekommen!“
„Aber die kann man nicht essen. Und ich habe Hunger!“ Schmollend streichelte er Kaffee, der neugierig die Robbe inspizierte. Diese stieß daraufhin ein lautes „Oi!“ aus und schnappte nach dem Totenkopfäffchen.
Nachdem klar wurde, dass zwischen den beiden wohl nie eine Freundschaft entstehen würde, zog das Totenklopfäffchen in meinen Rucksack um. Zumindest meine Robbe hatte anscheinend nichts dagegen.

5 Kommentare:

  1. Elendsteine ... für peinliche Tippfehler ... im Tempel der Göttin Sheba. *japs* *Tränen lacht* Und ROBBEN. Oh, ich liebe die Robben <3
    Wie du siehst, hole ich jetzt fleißig auf :D

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  2. (Zitat) „Der Sonnengott hat uns berichtet, dass ihr kommen werdet. Helden, die das NaNo-Land vor den Plotbunnys retten wollen“, sagte die Priestetin.

    Ich walte mal wieder meines Amtes <.< Ein Affe aus dem Kaffe, das Rassiermesserschaf und die Robben herrlich XD Zweiteres wär doch ein Job für dich Kim... du schreibst doch eh nicht mit dem 10-Finger-System.

    Und in dem Fall wirklich Göttin Sheba ^^

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    1. Die Priestetin hört sich fast nach etwas an, das in Band 2 zu gebrauchen wäre. Eine Mischung aus Priesterin und Pastete... interessant... xD
      Aber den Rest davon brauche ich zum Orgelspielen, schon vergessen? ^^

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    2. Und schon ist ein neuer Fehler geboren... in der Fehlgergeschichte entstanden. Herrlich XD
      Ah sorry <.< Hatte ich schon wieder vergessen ^^

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  3. Die Roben aus Robben sind ja herzig :D
    Und Omelette fände ich auch vieeel toller als komische Amulette :D

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