Das
war also die Schattenseite des Wörtermehrs. Nicht nur traurige Krabben konnten
geformt werden, sondern auch solche Dinger. Mit dem Bogen würde ich da nicht viel
ausrichten. Also harrte ich der Dinge die da kamen.
Und
sie kamen schnell. Diese Teile waren aus verschiedenen Buchstaben und Symbolen
zusammengesetzt, die sich zu seltsamen, teils missratenen Lebewesen geformt
hatten. Die ersten Symbolde schwangen sich über die Reling und begannen ihre
Arme um einige Piraten zu schlingen, woraufhin sie versuchten diese ins Meer zu
ziehen.
Der
Kampf war eröffnet. Blue ging mit einem lauten Kriegsgeschrei auf die Symbolde
los, die versuchten Chuck zu erledigen, während ich zu Damon eilte, der ebenfalls von einigen der Kreaturen umringt
war. Da ich keine Waffe hatte, trat und hieb ich einfach mit der Feige nach den
Viechern. Da sie aus Wörtern bestanden, zerfielen sie leicht in ihre
Einzelteile und die Buchstaben kullerten über das Deck. In Freundschafs Fell
hatten sich schon mehrere Wörter verfangen und es rannte leicht panisch von
einem Ende des Schiffs zum anderen. Dabei sprang es praktischerweise immer
wieder durch Symbolde hindurch, die in tausend Wörter zersprangen.
„Schickt
sie zurück in die Buchtsbanen, aus denen sie gekommen sind!“, schrie einer der
Piraten. Der Rest stimmte ins Geschrei mit ein.
Damon
kam alleine klar, also sah ich mich nach jemand anderem um, der meine Hilfe
brauchte. Meiner Oma ging es ebenfalls bestens. Ihr Regenschirm war nur noch
ein lila Schatten, der zwischen den Symbolden herumflitzte und einen nach dem
anderen vernichtete. Auf der anderen Seite des Bootes bemerkte ich jedoch einen
Kampf dessen Ende noch offen war. Obwohl der Pirat versuchte sich aus dem
Begriff zu befreien wand sich dieser immer fester und fester um ihn.
Beherzt
griff ich in die Buchstabensuppe und bekam tatsächlich etwas zu fassen. Ich zog
uns zog bis sich der Begriff in die Länge dehnte wie ein alter Kaugummi. Mit
einem Schnappen zersprang er in viele Buchstaben, die sich zu den Überresten
der Symbolde auf den Planken gesellten.
Einige
Themen, die aus dem Mehr am Heck des Schiffes gekrochen waren, waren dabei die
Piraten einzukreisen. Am besten war es wohl man griff sie zusammen von vorne
an, aber dazu musste jemand das Thema in die richtige Richtung locken.
„Hierher,
Thema, hierher! Ich hab auch ein ganz tolles Leckerchen für dich!“ Ich
schüttelte eine Hand voll Buchstaben, die ich vom Boden geklaubt hatte.
Überraschenderweise
schien es zu funktionieren. Ein Thema wandte sich um und folgte mir, dann ein
zweites, ein drittes und als sich alle zu mir umgedreht hatten wurde mir klar,
dass ich in der Patsche steckte.
Ich
wich einige Schritte zurück, um die Themen weiter vom Kampf abzulenken. Nur
musste jetzt irgendjemand die von hinten angreifen.
„Blue!
Ein bisschen Hilfe wäre nett!“
Blue,
der immer noch um Chuck herumtanzte, obwohl auch der prima allein klarkam,
bemerkte meine Misere erst jetzt. Die ersten Themen waren schon fast bei mir
bevor er sie mit dem Schwert zerlegte.
„Danke“,
meinte ich spitz.
„Kein
Thema“, erwiderte er.
„Oh
haha.“
Ein
Pirat rannte mit einem lauten Kriegsstein an mir vorbei und auf seine Angreifer
zu. Moment. Ein schreiender Stein? Als ich jedoch sah wie wirksam die Methode war,
wollte ich fast meinen eigenen schreienden Kriegsstein. Er hieb auf einen der
Symbolde ein bis der kaum mehr zu erkennen war und wandte sich dann dem
nächsten zu. Der letzte wand sich auf dem Schiffsboden.
„Hey,
ich glaube der lebt noch.“ Ich betrachtete das Wesen misstrauisch. Seine
Silhouette hatte sich stark verändert
seit er auf den Kriegsstein getroffen war. „Wobei ich befürchte, dass er
in ein Komma geprügelt wurde.“
Tatsächlich
schmolz der Symbold in sich zusammen und wurde ein einziges Komma, das ich
sofort über Bord warf.
Die
Symbolde gingen zurück und erste Jubelschreie erklangen, da schnellte etwas
anderes aus dem Mehr empor. Doppelte Buchstaben sprangen an Deck und wurden
dort zu Quallen.
„Attacke
der doppelten Buchstaben!“, schrie jemand.
Doch
einer der Seemänner war bereits über Bord gegangen. Sein Körper verformte sich
im Wasser bis er aufgequallen war. Ich wollte nicht hinsehen… aber trotzdem
konnte ich meinen Blick nicht abwenden als ohne Vorwarnung der Seemann platzte und
einen Schwall winziger doppelter Buchstaben in die Freiheit entließ.
„Mach
dir keine Sorgen. Wir werden sie von ihren Quallen erlösen“, versprach Blue und
begann mit seinem Schwert auf sie einzuschlagen. Doch da wurde schon der
nächste Pirat ins Wasser gezogen.
„Macht
das Trebuchet fertig!“, hörte ich Lurz‘ kraftvolle Stimme über den Lärm hinweg.
Einige
seiner Männer befolgten augenblicklich den Befehl und richteten das große
Trebuchet aus. Im Wasser waren nun größere Quallen zu sehen, die gut auch zwei
Piraten auf einmal verschlucken konnten.
„Mia!
Wir brauchen jemanden, der auf den Ausloser drückt!", rief Damon. „Der
Kerl, der das sonst macht, ist aufgequallen!“
Statt
einer Antwort stand ich sofort neben dem Trebuchet, das die Piraten auf die
größte Qualle gerichtet hatten. Es wurden einige letzte Veränderungen
vorgenommen. Und…
„Jetzt,
Mia!“
Ich
schlug mit der Faust auf den Ausloser der Waffe. Das Geschoss wurde hoch in die
Luft geschleudert, nur um in einem großen Lichtblitz zu verschwinden. Die
gigantische Qualle kam immer noch näher.
„Was
habe ich falsch gemacht?“
„Nichts“,
beruhigte Damon mich während er und die anderen das nächste Geschoss
einspannten. „Unser werter Kapitätän hatte auch mal was mit einer Hexe, genau wie
Roger dort drüben.“ Er deutete auf den Tentakelaugentyp. „Allerdings hat die
Hexe nicht ihn, sondern sein Schiff verflucht. Alle Bordwaffen können nur durch
Auslosen betätigt werden. Feuer!“, schrie er erneut.
Ich
hieb auf den Ausloser. Wieder verschwand das Geschoss mitten im Flug. Wieder
tat es der Qualle nichts.
„Ich
glaube fast dem Kapitätän wäre es lieber gewesen sie hätte ihn verflucht und
nicht sein geliebtes Schiff.“ Damon richtete Das Trebuchet wieder aus und legte
das Geschoss ein. „Feuer!“
„Warte!
Nein! Das ist Freundschaf!“
Tatsächlich
hatte Damon in aller Eile kein Geschoss erwischt, sondern Freundschaf auf das
Trebuchet geschnallt. Sofort korrigierte er seinen Fehler, während ich
versuchte das Bild von fliegenden Schafen aus meinem Kopf zu vertreiben.
„Okay.
Feuer!“
„Was
wenn wir dieses Mal wieder nicht treffen?“
„Dann
gnade uns Gott. Feuer!“
Ich
schlug ein drittes Mal auf den Knopf. Das Geschoss segelte durch die Luft. Kurz
bevor es die Qualle traf, verschwand es jedoch. Soviel zu aller guten Dinge
sind drei. Wer’s glaubt.
„Nochmal,
Beeilung“, wies Damon die anderen an. „Sonst ist sie nicht mehr in
Schussreichweite!“
Sobald
alle Hände das Geschoss verlassen hatten hieb ich auf den Knopf und schaute der
fliegenden Kugel hinterher. Mit einem lauten Spritzer traf sie die Qualle genau
in der Mitte und zog sie mit sich in die Tiefen des Mehres. Die kleinen Quallen
zogen sich sofort zurück und ließen auch von den Männern ab, die sie fast ins
Wasser gezogen hatten.
Damit
war es jedoch nicht getan. Ich war nicht die einzige, die den dunklen Schatten
bemerkt hatte, der unter unserem Boot seine Kreise zog. Schon eine kleine
Bewegung des Schiffes, auf die man nicht gefasst war, konnte ausreichen, um
jemanden gut fünfzig Meter weit in die Tiere stürzen zu lassen – sofern es denn
Tiere waren und nichts Finstereres.
„Alle
Mann an Deck! Die Historicylla greift an!“, schrie einer der Piraten.
„Was
ist eine Historicylla?!“, fragte ich, während ich versuchte Freundschaf zu
beruhigen, das den Schreck darüber beinah von Bord gegangen zu sein immer noch
nicht verwunden hatte.
„Das
ist eine Kreatur aus den Tiefen des Wörtermehrs“, erklärte der Smutje knapp.
Einer
der Männer beugte sich über die Reling – da schnellte das Ding hoch und zog ihn
ins Wasser.
„Nein,
Fabio!“, rief jemand von den Piraten.
Fabio
war völlig geschluckt von dem, was er da sah. Ein Happs und er war
verschwunden.
„Ach,
keine Sorge“, meinte der Koch.
„Wieso?
Der wurde gerade von einem gigantischen Seemonster verschluckt! Natürlich mache
ich mir Sorgen!“
„Der
ist in Ordnung, du wirst schon sehen. Er hat erlfisches Blut.“
„Äh…
was ist das?“
„Na
kennst du das Gedicht nicht? Wer schwimmt so spät bei Nacht und Fackel, es ist
der Erlfisch mit seinem Dackel… ehrlich nicht?“
„Dackel?“
Langsam hatte ich das Gefühl, dass alle um mich herum nur Verrückte waren.
Inklusive mir.
„Alles
für den Dackel, alles für den Club. Und sein Dackel ist noch hier. Der kommt
wieder.“
„Woher
willst du wissen, dass er überlebt?“, fragte ich erneut.
„Su
solltest mittlerweile wissen, dass ich aalwissen bin“, klärte er mich auf.
Das
Monster zog weiter seine Kreise, zumindest bis das ganze Boot einen Satz machte
und ich beinah von den Beinen gerissen wurde. Ich lief zu meiner Oma hinüber,
die auf ihren Regenschirm gestützt dastand und nachdenklich aufs Wörtermehr
hinausschaute.
„Was
ist? Hast du eine Idee?“
„Ein
Stück Papier, schnell!“, rief sie. „Und etwas zu schreiben!“
Zum
Glück hatte ich noch immer die Schreibfischfeder in der Tasche, die ich heute
Morgen für Fluffles‘ Wortsalat benutzt hatte. Weil das so gut funktioniert
hatte, hatte ich mir gleich mehr Papier genommen und es in meine Hosentasche
gestopft.
„Was
um Hummels Willen tust du da?“, fragte Lurz entgeistert. „Wenn du Hilfe
brauchst, hilft Schreiben glaube ich auch nicht weiter.“
„Natürlich
hilft das weiter! Wir sind auf einem Wörtermehr; was denkst du woraus das
besteht und was denkst du warum es so heißt wie es heißt?“, meinte Oma
freundlich und schrieb weiter auf dem Blatt Papier. Wie sie so viele Wörter in
so kurzer Zeit zustande brachte konnte ich mir nicht erklären. Ich hatte allein
eine halbe Stunde für ein bisschen Wortsalat gebraucht.
Schreiben
musste sie. Um Hilfe schreiben.
Das
Monster hatte aufgehört unser Schiff zu rammen; die Historicylla war nun direkt
neben unserem Boot. Von hier aus konnte ich sehen, dass sie ihre eigenen
Buchstaben um sich sammelte. Sie bildeten Wörter, dann Sätze, dann Paragraphen.
„Schreib,
Oma, schreib! Es ist dir dicht auf den Versen!“
„Wörter!“,
rief Damon.
„Was?“
Lurz runzelte die Stirn.
„Na
wir brauchen mehr Wörter! Schafft welche für Marga ran!“
Sofort
waren alle Piraten auf den Knien und suchten das Deck nach Buchstaben und
Wörterfragmenten ab, welche die Symbolde hinterlassen hatten. Wer immer etwas
gefunden hatte hielt es meiner Oma hin. Diese schüttelte entweder den Kopf,
woraufhin die Wörter in die Krabbenkiste entleert wurden – nicht ins Wörtermehr
damit wir unserem Gegner nicht noch mehr Munition boten – oder sie nickte und
fügte die Handvoll Wörter in ihren Text ein. Schon bald schrieb sie auf der
Rückseite, dann an der zweiten.
Worüber
schrieb sie da genau? Was war das für ein Kampf zwischen den beiden?
Die
Wörter im Wasser wurden immer weniger. Die auf unserem Deck ebenfalls, doch
meine Oma schrieb immer noch wie eine Verrückte an ihrem Papier. Der Schatten
bewegte sich. Etwas Dunkles streckte sich zur Reling empor, wie der Lachswall
vorhin.
„Da
rührt sich was!“, schrie ich, um die anderen darauf aufmerksam zu machen.
Ein
Schwall aus Wörtern ergoss sich auf das Deck. Er türmte sich hoch auf, mehr als
drei Meter und alle überragend. Wie ein Tsunami rollte er vorwärts und das Ziel
war meine Oma.
„Beeil
dich!“
Gerade
als die schwarze Welle auf sie niederstürzte, setzte sie den letzten Punkt und
hielt das Papier vor sich wie ein Schild.
Die
Welle brach an ihrem Papier. Wörter stoben in alle Richtungen und unter unserem
Boot tobte die Historicylla. Mit dem Papier in der Hand ging sie gegen die
Welle an und trieb sie immer weiter auf die Reling zu. Ihre Worte
funktionierten wie ein Schutzwall, den sie sich selbst erschrieben hatte.
Mit
einer letzten Anstrengung drückte der Wörterschwall des Monsters gegen das
Stück Papier. Doch endlich gab es auf. Mit etwas wie einem Seufzer fielen die
Wörter in sich zusammen. Es wurden Buchstaben daraus. Der Schatten unter dem
Boot verschwand. Meine Oma warf das Stück Papier über Bord und im Wasser
verschwanden die letzten schwarzen Schlieren.
„Das
setzte der Debatte ob die Feder oder das Schwert mächtiger ist wohl endgültig
ein Ende“, meinte meine Oma nur und klopfte sich einige letzte Wörter an ihrer
Robbe ab.
Jetzt gehts aber ab... ist auf jeden Fall verdammt spannend.
AntwortenLöschenOH! Meine Verse haben es in deinen Roman geschafft! Ach, das freut mich jetzt aber :)
AntwortenLöschenDas war ein super Kampf!