„Bah,
ist mir übel.“
Phoenix
stützte mich auf einer Seite, während Freundschaf auf der anderen Lief und mich
mit etwas ansah, das ein mitleidiger Blick sein könnte.
Es
war nicht schwer zu erraten warum es mir so schlecht ging. Gerade hatten wir
die Kapsel des gesunden Menschenversands verlassen, welche die Nonnen im
Konvent gerne für uns organisiert hatten. All meine Widerworte hatten nichts
genützt und so hatte ich schließlich notgedrungen Platz genommen und mich
durchschleudern lassen.
Ich
würgte, doch glücklicherweise hatte ich im Konvent extra nichts gegessen. Das
würde ich in der Drachenschenke nachholen müssen, aber das Risiko war mir zu
groß gewesen.
„Du
bis zwei Tage auf einem Schiff unterwegs gewesen und du bist nicht seekrank
gewesen“, meinte Blue. „Und dann sowas. Also wirklich.“
Obwohl
das Schwanken in der schwingenden Stadt mir nicht besonders gefallen hatte und
ich auch beim Piratenschiff meine Zweifel gehabt hatte, war es mir dort
erstaunlich gut gegangen. Nur dieser bescheuerte Menschenversand schaffte mich
jedes Mal.
Vor
uns tauchte die Drachenschenke auf, immer noch so beeindruckend wie das erste
Mal als ich sie gesehen hatte. Obwohl sich doch etwas verändert hatte. Zwei der
Holzbuchstaben, die der Schenke ihren Namen gaben, waren vertauscht worden,
sodass nun „Drachenschneke“ auf dem Schild zu lesen war.
Vor
der Schenke waren einige Fahrräder aufgestellt. Das war doch die Idee! Wir
ließen den gesunden Menschenversand links liegen und fuhren stattdessen mit
Fahrrädern durch die Gegend!
Ein
Mann war gerade damit beschäftigt sein Fahrrad fertig zu machen, da er
anscheinend weiter wollte. Er zog eine Waffe aus einer Satteltasche und schoss
sein Fahrradschloss auf.
Sofort
warf ich einen Blick auf die Tür, die tatsächlich verdächtig neu aussah und
deren ebenfalls nagelneue Scharniere in der Sonne glänzten. Hier hatte sich
nicht viel verändert.
Das
erste, was ich tat, war mir etwas zu essen zu bestellen. Meine Oma empfahl mir
Spreiselbeeren zum Kompott – was auch immer Spreiselbeeren sein mochten – und
bald hatte ich einen dampfenden Teller vor mir und hatte herausgefunden was das
für Beeren waren. Lecker waren sie auf jeden Fall.
Die
anderen hatten bereits gefrühstückt und unterhielten sich stattdessen über den
weiteren Verlauf der Reise, außer Blue, der sich ebenfalls etwas bestellt
hatte. Phoenix hatte bereits ihre Gedankenspinne herausgeholt, mit der sie Mr.
Ian Woon über unsere bisherigen Bemühungen aufklären wollte. Da das mit den
Wundern ins Wasser gefallen war, mussten wir uns außerdem nach einer neuen
Möglichkeit umhören wie man die Bunnys loswerden könnte.
„Ah,
das war gut!“ Blue lehnte sich zurück und lächelte in die Runde. „Und jetzt der
beste Teil vom Essen – der Nachttisch!“
„Ich
bin mir nicht sicher, dass ich das probieren möchte…“, meinte ich nur und schob
meinen leeren Teller ebenfalls von mir.
„Dann
kommen wir jetzt zum ernsten Teil unserer Reise zurück.“
Phoenix
setzte die Gedankenspinne auf den Tisch. Ich musste mich zurückhalten mich
nicht so weit in meinem Stuhl zurückzulehnen wie es möglich war. Phoenix
drückte an irgendwelche Gelenke der Spinne, sodass sie sich plötzlich
aufrichtete und eine seltsame blaue Kugel ausstieß, die über ihr schwebte.
„Das
ist für Gruppenanrufe“, erklärte sie. „Normalerweise kann man die Spinne
einfach in die Hand nehmen, dann können zwei Personen in Gedanken miteinander
sprechen. So können wir alle zusammen denken und hören was Mr. Ian Woon uns zu
sagen hat.“
„Und
die anderen Leute in der Drachenschenke? Hören die nichts?“, wollte ich wissen.
Jetzt
wo die Spinne so ruhig dasaß, traute ich mich sie mir näher anzusehen. Nach
einem Blick auf die haarigen Beine und riesigen Greifzangen beschloss ich aber,
dass ich damit leben konnte sie mir nicht genau anzusehen. Igitt.
Phoenixfeder
gab der Spinne erneut einen Stups und die Kugel aus Licht begann zu pulsieren.
„Hallo,
Mr. Ian Woon hier“, ertönte eine Stimme in meinem Kopf.
Das
Gefühl war bizarr. Es hatte bestimmt jeder schon ausprobiert wie sich die
eigene Stimme anhörte wenn man sprach und sie gleichzeitig die Ohren zuhielt.
Das hier war ähnlich. Mr. Ian Woons Stimme klang gedämpft und hohl was würde er
durch das eine Ende einer langen Röhre sprechen und ich würde mein Ohr an das
andere Ende drücken.
„Hier
ist Phoenix.“ Auch ihre Stimme klang wie ein Echo. „Wir wollten Bericht
erstatten wie es uns so ergangen ist.“
„Ach!
Hallo Phoenix. Hören alle mit?“
Etwas,
das sich wie eine Bestätigung anfühlte formte sich in meinem Kopf. Ohne Worte
allerdings. Phoenix musste schon öfter mit Gedankenspinnen gearbeitet haben,
denn selbst die Vorstellung Sätze nur in meinem Kopf zu formen und dann zu
„schicken“ war mir unbehaglich. Das sogar mit Gefühlen zu tun war eine ganz
andere Liga. Und jetzt schaffte Phoenix das sogar mit Bildern, denn die
bisherigen Stationen unserer Reise zogen an meinem inneren Auge vorbei. Warum
gab mir diese Kommunikation per Spinne das Bedürfnis mit einem Finger in meinen
Ohren herumzubohren?
„Das
ist natürlich unglücklich“, kommentierte Mr. Ian Woon die Sache mit den
Wundern. „Ich habe auch Neuigkeiten. Jemand hat die Bedrohung zugestellt.“
„Äh,
was?“, meldete sich Blue zu Gedanke. „Man ist das seltsam so zu
sprechen/denken. Hey! Jeder weiß sofort was ich mit sprechen/denken meine;
gesprochen würde sich das seltsam anhören, aber gedacht… wisst ihr was ich
meine? Das ist...“
Phoenix
schubste ihn in Gedanken und Blues Gedankenfluss wurde unterbrochen.
„Ja,
es ist am Anfang recht schwer aufzuhören Gedanken zu schicken wenn man erst mal
damit angefangen hat“, dachte Mr. Ian Woon. „Aber weiter im Text. Ja, die
Plotbunnys wurden uns zugestellt. Über den gesunden Menschenversand. Damals
waren es nur ganz wenige, die plötzlich in irgendeiner Kapsel aufgelaufen sind,
aber die haben sich sofort ganz schrecklich vermehrt.“
„Make
Post, not war“, kicherte Blue und ein einschlägig gedachtes Halt die Klappe! erwischte ihn von allen
Seiten. Was würde ich jetzt für einen Troutsmiley geben.
„Das
ist ernst“, erinnerte Phoenix ihn. „Das bedeutet, dass die Bunnyinvasion nicht
unser einziges Problem ist. Jemand steckt dahinter. Ich vermute dieselbe
Person, die uns die Rauchninjas auf den Hals gehetzt hat.“
Ein
paar der Puzzlestücke, die wir die letzten Tage aufgesammelt hatten, fielen an
ihren Platz. Der Rest war immer noch ein einziges Durcheinander, aber das hier
war ein Anfang.
„Was
habt ihr jetzt vor? Ich habe die Pilzizei darauf angesetzt denjenigen zu
finden, der hinter den Plotbunnys steckt, aber sie haben genug zu tun die
Bunnyinvasion einzudämmen“, erklärte Mr. Ian Woon. „Die Boden des Könlings
helfen ebenfalls mit. Aber ihr solltet euch darauf einstellen öfter Besuch von
den Ninjas zu haben, denn um die können wir uns nicht auch noch kümmern.“
Die
Frage nach dem was nun? hing
unausgedacht in der Luft. Es war ausgerechnet Blue, der sie beantwortete.
„Wir
könnten versuchen die Traveling Shovel of Death zu benutzen!“
„Die
was?“, meldete ich mich das erste Mal
zu Gedanke. „Was soll das sein?“
Es
war ein seltsames Gefühl meine Gedanken aus meinem Kopf strömen zu fühlen. Es
fühlte sich an als würde ich mich unheimlich verletzlich machen und
gleichzeitig wollten, nachdem ich einem Gedanken erlaubt hatte meinen Kopf zu
verlassen, alle anderen Gedanken folgen.
Mental
stellte ich es mir wie einen Staudamm vor, durch dessen Mauer ich gerade das
erste Mal Wasser gelassen hatte. Durch den Druck dahinter wollten alle weiteren
Gedanken das Loch vergrößern, doch ich ließ eine dicke Metallplatte runterknallen,
die den Fluss sofort stoppte.
„Die
TSoD“, dachte Blue. „Komm schon, du musst davon gehört haben.“
„Ich
bin ein absoluter NaNo-Newbie“, erinnerte ich ihn. „Mein Wissen über das
NaNo-Land beschränkt sich auf das, was ich bisher mit euch erlebt habe.“
„Oh,
das hatte ich ganz vergessen…“
Das
wiederum gefiel mir. Dass er vergessen hatte was für ein Newbie ich war
bedeutete wohl, dass er mich automatisch zur Gruppe zählte.
„Die
Traveling Shovel of Death, die wandernde Schaufel des Todes, ist eine
NaNo-Legende“, erklärte meine Oma nun. „Jedes Jahr bauen mehrere Wrimos sie in
ihre Geschichten ein. Dort wird sie dazu verwendet Leute umzubringen, um die Geschichte
voranzutreiben, manchmal werden auch nur Personen k.o. geschlagen, sie taucht
blutig am Boden auf oder sonst etwas. Sie scheint sich zu einer Art
Massenmörder entwickelt zu haben.“
„Das
hört sich wirklich gruselig an“, dachte ich. „Und wie soll die uns helfen?“
„Nun,
die Traveling Shovel of Death kann so ziemlich alles töten“, meinte Mr. Ian
Woon. „Zumindest geht so die Legende. Wer auch immer sie führt kann sich
aussuchen wen oder was er als nächstes tötet.“
„Das
ist grauenhaft!“ Das Bild einer Gartenschaufel, die blutig am Boden lag,
erschien in meinem Kopf.
„Eigentlich
nicht. Das ist im Endeffekt nichts anderes als ein Schwert“, dachte Blue.
„Sowas wie die Legende von Excalibur. Da beschwert sich auch keiner drüber wenn
jemand in einer Geschichte Excalibur findet und damit in den Krieg zieht. Es
wird ja fast schon erwartet.“
Mir
gefiel das trotzdem nicht, vor allem als mir klar wurde, dass dieses
Teufelsgerät dazu benutzt werden sollte die Bunnys zu töten. Die süßen,
flauschigen Bunnys, die eigentlich alle nur ein neues Zuhause haben wollten.
„Ohne
mich“, entschied ich. „Bei sowas mache ich nicht mit.“
Die
Gedankenkonferenz schwieg. Es war als hätte ich für kurze Zeit alle Köpfe leer
gefegt.
„Aber
Mia“, versuchte es Phoenixfeder. „Wir wissen noch nicht einmal ob die TSoD
wirklich funktioniert. Und selbst wenn… man könnte sie auch dazu einsetzen den
Auftraggebern hinter den Bunnys zu drohen. Damit ließe sich vielleicht etwas
erreichen.“
„Das
ist grausam. Du bist grausam.“ Das hätte ich nicht gedacht. Und jetzt hatte ich
es zu ihr gedacht. Äh…
„Nicht
grausam. Praktisch veranlagt.“
„Es
gibt sowieso ein Problem“, meldete sich Mr. Ian Woon zu Gedanke. „Die TSoD ist
immer nur in NaNo-Geschichten zu Gast. Und da die letzten Monate kaum jemand an
einer NaNo-Geschichte geschrieben hat, hat niemand eine Ahnung wo die Schaufel
sich befindet. Normalerweise taucht sie spätestens Anfang November in den
Händen irgendwelcher Autoren wieder auf.“
„Aber
so lange warten können wir nicht“, führte meine Oma den Gedanken fort. „Der
November könnte ausfallen wenn wir sie nicht jetzt finden.“
„Warum
Traveling Shovel of Death?“, brach
ich mein sehr kurzes Schweigen. Meine Neugier gehörte bestraft.
„Weil
sie von einer Geschichte in die andere springt. Niemand kann die TSoD ewig
behalten. Wenn man sie für die Szene genutzt hat, in der sie vorkommen sollte
oder sie sich eigenmächtig eingeschlichen hat, verschwindet sie und taucht bei
irgendjemand anderem auf. Das Ding wandert“, erklärte meine Oma. „Es gibt
allerdings immer Gerüchte darüber wo sich die Schaufel befinden könnte. Und ein
guter Platz, um sie zu sammeln ist die Drachenschenke.“
Wir
waren so vertieft in unsere Gedanken gewesen, dass wir den Wirt nicht bemerkt
hatten, der nun neben unserem Tisch erschienen war.
„Entschuldigen
Sie, aber wir müssen den Keller in die Küche bringen. Der muss hier durch und
wir müssen alle Stühle und Tische beiseite räumen, um genug Platz zu haben“,
sagte er.
„Wir
denken uns später“, meinte Mr. Ian Woon, der über den Gedanken von einem von
uns wohl von der Unterbrechung erfahren hatte.
Die
Lichtkugel über der Spinne wurde kleiner und kleiner bis sie schließlich ganz
verschwand und Phoenix die Spinne zurück in ihre Tasche steckte. Danach halfen
wir dem Wirt dabei unseren Tisch, der tatsächlich als einziger noch übrig war,
an die Wand zu schieben.
Die
Aktion, die wir dann zu sehen bekamen, vertrieb fast die TSoD aus meinem Kopf.
Ein riesiger Kellerraum wurde von mehreren Leuten auf einem rollbaren Untersatz
durch den Schankraum gezogen. Wie sie den die Kellertreppe hochbekommen hatten
wusste ich nicht. Vermutlich war Magie im Spiel gewesen.
Sobald
er in der Küche verschwunden war, halfen mehrere Gäste dabei die Tische und
Stühle wieder aufzustellen und alles lief weiter als sei nie etwas gewesen. Wir
saßen noch eine ganze Weile am Tisch. Die anderen diskutierten darüber wo man
anfangen könnte nach der TSoD zu suchen. Ich diskutierte mit mir selbst ob ich
mitkommen sollte oder nicht.
Das wäre
Massenmord an Plotbunnys und ich konnte das einfach nicht zulassen. In meiner
Tasche spürte ich den warmen Körper meines Plotbunnys, das sich wie immer
zusammengerollt hatte und schlief. Allein für Fluffles konnte ich das nicht
zulassen.
Genau
deshalb musste ich mitkommen.
Sobald
diese Entscheidung gefallen war, fühlte ich mich besser. Ganz langsam wurde ich
von den Stimmen aus dem sich füllenden Schrankraum eingelullt, der sich direkt
neben dem Hauptraum der Drachenschenke befand und in dem gerade einige Wichtel
eine Geburtstagsfeier abhielten.
Die
Stille wurde nur einmal gebrochen als ein Mann die Drachenschenke verließ und
die Tür hinter sich schoss, sodass sie noch eine Weile im Rahmen bebte.
„Eine
extradicke Tür“, erklärte der Wirt. „Die hält wenigstens ein paar Schüsse aus.“
Neben
der Bar schlief ein Mann in aller Seelentruhe weiter. Sogar als auf die Tür
geschossen wurde, drehte er sich nur seelenlos einmal um. Ich hatte den Wirt
dazu befragt, der gemeint hatte eine Seelentruhe müsste man sich anschaffen
wenn man keine Seele mehr hatte. In Träumen würde sich die Seele offenbaren,
was Schlaf gefährlich machte wenn man keine mehr hatte.
Diese
Erklärung machte mich sofort so müde, dass ich mich sofort danach auf mein
Ebenfallssofa zurückzog.
Ich war zu selten im Fehlerthread... ich nehme an der Keller sollte ein Teller sein.
AntwortenLöschenIch wundere mich jetzt schon seit dem ersten Auftauchen, wies man von "gesunder Menschenverstand" auf diese einzigartige Menschen-Verschick-Art kommt...
AntwortenLöschenIn diesem Kapitel habe ich das erste Mal gelesen, was da wirklich steht. Und ich bin langsam wirklich gespannt, wie die Geschichte dieses Jahr aussieht :-3
Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Irgendwer hat diesen wunderbaren Tippfehler produziert. Ich habe mir dazu nur eine der ungesündesten Arten zu reisen ausgedacht, die ich mir vorstellen konnte. ^^
LöschenDie Geschichte sieht unter anderem so aus, dass die Mitarbeiter des Menschenversands streiken und alle den Fakir-Ferkehr nehmen müssen. :P