Montag, 24. November 2014

24. Kapitel



Der Saubertrank war ein Turm, der direkt am Waldesrand stand. Er war aus grauem Stein gebaut und hatte sogar Zinnen. Aus den Fenstern im Erdgeschoss ergoss sich einladendes Licht auf den Rasen zwischen Wald und Taverne.
Die Sonne war gerade dabei hinter dem Horizont zu verschwinden als wir unsere Pferde in den Stallungen des Saubertranks ließen und uns nach drinnen begaben. Der Weg durch den Wald hatte uns Zeit und Energie gekostet. Energie vor allem auch, weil die Pferde nicht aufgehört hatten zu reden. Ich konnte es kaum erwarten endlich in ein Bett zu fallen.
Blue stieß die Tür zum Saubertrank auf und wir betraten den Schankraum. Er war kreisrund, wie von außen zu vermuten gewesen war. Eine Treppe auf der anderen Seite führte in die höher gelegenen Stockwerke, wo sich vermutlich Zimmer für die Nacht befanden. Einige Personen saßen an den Tischen und die Stimmung war eine angenehme und ruhige. Die Frau hinter dem Tresen warf Freundschaf einen misstrauischen Blick zu, fuhr dann aber fort die Gläser zu waschen.
„Lass uns zuerst was essen und trinken. Ich bin am Verhungern!“
Soweit nichts Neues. Blue war immer am Verhungern. Auf dem Weg zum Saubertrank hatten wir zwischendurch etwas gegessen, das wir aus der Drachenschenke mitgenommen hatten. Obwohl ich zugeben musste, dass auch mein Magen sich langsam beschwerte.
In einer Ecke des Raumes… Moment! Der Raum hatte keine Ecken. Er war rund. Wie nannte man das dann? Egal, dort jedenfalls war mir gerade etwas Seltsames aufgefallen.
„Was macht der da?“, fragte ich Blue.
Ich beobachtete den Mann, der ein Stück Holz bearbeitete.
„Ach, du weißt doch.“ Blue zuckte mit den Schultern, „Wo gehobelt wird, da fallen Schwäne!“
Ich sah zu wie einer der Späne sich kurz bevor er auf dem Boden ankam in einen winzigen Schwan verwandelte und davonflog. Einige der Kreaturen schwirrten bereits um die Lampe unter der Decke, der Rest schien, wie der neue Schwan auch, durch ein offenes Fenster entkommen zu sein.
„Wie macht der das?“ Ich sah dem Mann immer noch mit offenem Mund zu, denn er hatte gerade den nächsten Schwan erschaffen.
„Selbst ohne die seltsamen Begleitumstände ist es eindeutig, dass das ein Zauberer sein muss. Wer sonst würde eine total aus der Mode gekommene graue Robbe wie die da anziehen?“
„Eine Robbe?“
Tatsächlich erkannte ich, dass der Mann ebenfalls eine magische Robbe trug. Seine sah allerdings recht ramponiert aus und hatte, wie Blue bereits festgestellt hatte, einen seltsamen Schnitt. Unseren Robben war zum Glück trotz der Reise durch den Brombeerbusch nichts weiter passiert.
Die Frau war nun hinter der Theke hervorgekommen und stand an unserem Tisch. „Kann ich Ihnen etwas bringen?“
„Äh… was gibt es denn?“, fragte ich etwas kleinlaut. Die Schwäne hatten mich abgelenkt.
„Ich könnte euch eine Sekunade anbieten.“
Bei ihren Worten hoben plötzlich alle Gäste des Saubertranks die Köpfe. Das musste was Besonderes sein.
„Das ist eine Limonadensorte“, erklärte Blue mir flüsternd als er meinen verwirrten Gesichtsausdruck sah. „Die ist aus Sekunden gemacht und man soll damit angeblich in der Zeit reisen können wenn man genug davon trinkt. Ich kenne zwar keinen bei dem das funktioniert hat, aber… stell dir vor was wir machen könnten falls wir das hinbekommen! Wir könnten in der Zeit zurückreisen und Bunnyinvasion aufhalten!“
Das war eine ganz neue Lösung für das Problem. Allerdings gefiel mir das Grinsen der Wirtin nicht besonders. Ich hatte so meine Zweifel ob das, was sie uns anbieten wollte, wirklich Sekunade war.
„Wir hätten gerne zwei Gläser!“, rief Blue da allerdings schon.
Von allen Seiten des Raumes aus gingen Bestellungen ein und schon bald hatte jeder mindestens ein riesiges Glas mit Sekunade vor sich stehen.
„Auf dein Wohl!“, prostete Blue mir zu und nahm einen großen Schluck.
„Blue… ich weiß wirklich nicht ob das so eine gute Idee ist…“
„Man, ist das lecker!“, unterbrach er mich. „Ich wusste gar nicht, dass Sekunade auch noch so gut schmeckt! Probier das Mal, Mia!“
Die anderen Gäste hatten auch alle schon an ihren Getränken genippt und bisher war nichts Seltsames passiert. Also gut. Wenn ich Smutjes Pantoffeln essen konnte, dann würde ich auch das hier trinken können.
„Prost.“
Ich nahm einen Schluck. Eigentlich schmeckte das wirklich nicht übel. Das Getränk war warm sobald es meine Zunge berührte und hatte einen süßlichen Geschmack, den ich nicht ganz einordnen konnte.
„Eigentlich nicht übel.“ Ich nahm noch einen Schluck. „Aber ob das Sekunade ist weiß ich immer noch…“
Ich stoppte, denn plötzlich war die Wärme aus meinem Mund in meinem Magen angekommen. Das fühlte sich jetzt nicht mehr so gut an. Eine Hand umklammerte noch immer das Glas, die andere presste ich mir auf meinen Bauch.
„Und? Und? Reist du in der Zeit?“
Ich ließ das Glas los und faltete mich auf dem Tisch. Freundschaf gab ein klägliches Mähen von sich und stupste meine Hand an, die so dünn wie Papier geworden war. Mühsam entfaltete ich mich.
„Was zum Teufel…?! Ich bin in 2D!“, kreischte ich.
Die restlichen Gäste des Saubertranks starrten zu unserem Tisch hinüber und begannen zu grinsen. Ich hingegen fand das gar nicht lustig.
„Das ist die Nebenwirkung von Sekunade“, erklärte die lachende Wirtin. „Es ist immerhin ein magisches Getränk. Die Wirkung lässt irgendwann nach, manchmal schneller, manchmal langsamer.“
Blue versuchte gerade seinen Lachanfall unter Kontrolle zu bringen. Er schaffte es nur mich auf meinem Stuhl auszubreiten, wo ich im Wind des offenen Fensters hin und her wehte.
„Das ist nicht witzig!“
„Doch ist es“, prustete er.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Oder versuchte es zumindest. Denn wenn die Dinger so dünn waren wie ein Stück Papier war das gar nicht so einfach. Als das warme Gefühl in meinem Magen zurückkehrte bekam ich es mit der Angst zu tun. Wenn mich diese Sekunade jetzt noch in einen Origamikranich faltete, war aber Schluss!
Stattdessen machte es plopp und ich saß in alter 3D-Pracht wieder auf meinem Stuhl. Mein wütender Blick stoppte endlich Blues Lachanfall. Das ermöglichte es ihm allerdings einen weiteren Schluck von der Sekunade zu nehmen.
„Bist du verrückt? Du siehst doch was mit mir passiert ist! Das Zeug ist gemeingefährlich!“
„Ach was. Du bist doch auch wieder normal, oder?“ Er leerte sein Glas in einem Zug. Dann fuhr eine seiner Hände zu seinem Bauch.
Selber Schuld. Was auch immer jetzt kam hatte er verdient. Ich hoffte im Stillen, dass er sich ebenfalls in eine Karte verwandelte. Dann würde ich mal probieren ob das mit dem Origamikranich nicht doch funktionieren würde. Es gab das bekannte Plopp und…
„Ich glaube ich bin doppelt weil ich zu viel getrunken habe. Was meinst du?“
Blues Stimme kam nicht ganz aus der Richtung aus der ich sie vermutet hatte. Denn obwohl er mir immer noch gegenübersaß, war auf dem Stuhl direkt neben ihm ein zweiter Blue erschienen. Der grinste mich an und schnappte sich meine Sekunade.
„Wow, Ich wusste gar nicht, dass man sich verdoppelt wenn man zu viel trinkt“, meinte Doppelgängerblue und nahm einen Schluck aus meinem Glas.
„Meinst du wirklich es ist ratsam dann noch mehr zu trinken?!“, schrie ich ihn an.
„Hey, das ist praktisch wenn man Arbeiten schreibt!“, meinte der Blue, der eben erst aufgetaucht war und von dem ich beschlossen hatte ihn Blue2 zu nennen. „Noch mal Sekunade bitte!“, rief er der Wirtin zu.
„Nein!“
Doch jeder ignorierte meine Proteste. Auch an den Nachbartischen gab es allseits Gelächter als sich Menschen in verschiedenste Sachen verwandelten. Einige von ihnen hatten sogar Handys rausgeholt oder andere magische Gerätschaften, um anderen Leuten Bescheid zu sagen, dass es einen Sekunadenparty gab. Ich hatte das Gefühl, dass es demnächst im Saubertrank sehr voll werden würde.
„Auch ein Schluck?“, fragte Blue2.

1 Kommentar:

  1. Wow, das wär echt nicht schlecht... dann könnte mein zweites Ich am Referat arbeiten und ich weiter prokastinieren.

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