Der
Saubertrank war ein Turm, der direkt am Waldesrand stand. Er war aus grauem
Stein gebaut und hatte sogar Zinnen. Aus den Fenstern im Erdgeschoss ergoss
sich einladendes Licht auf den Rasen zwischen Wald und Taverne.
Die
Sonne war gerade dabei hinter dem Horizont zu verschwinden als wir unsere
Pferde in den Stallungen des Saubertranks ließen und uns nach drinnen begaben.
Der Weg durch den Wald hatte uns Zeit und Energie gekostet. Energie vor allem auch,
weil die Pferde nicht aufgehört hatten zu reden. Ich konnte es kaum erwarten
endlich in ein Bett zu fallen.
Blue
stieß die Tür zum Saubertrank auf und wir betraten den Schankraum. Er war
kreisrund, wie von außen zu vermuten gewesen war. Eine Treppe auf der anderen Seite
führte in die höher gelegenen Stockwerke, wo sich vermutlich Zimmer für die
Nacht befanden. Einige Personen saßen an den Tischen und die Stimmung war eine
angenehme und ruhige. Die Frau hinter dem Tresen warf Freundschaf einen
misstrauischen Blick zu, fuhr dann aber fort die Gläser zu waschen.
„Lass
uns zuerst was essen und trinken. Ich bin am Verhungern!“
Soweit
nichts Neues. Blue war immer am Verhungern. Auf dem Weg zum Saubertrank hatten
wir zwischendurch etwas gegessen, das wir aus der Drachenschenke mitgenommen
hatten. Obwohl ich zugeben musste, dass auch mein Magen sich langsam
beschwerte.
In
einer Ecke des Raumes… Moment! Der Raum hatte keine Ecken. Er war rund. Wie
nannte man das dann? Egal, dort jedenfalls war mir gerade etwas Seltsames
aufgefallen.
„Was
macht der da?“, fragte ich Blue.
Ich
beobachtete den Mann, der ein Stück Holz bearbeitete.
„Ach,
du weißt doch.“ Blue zuckte mit den Schultern, „Wo gehobelt wird, da fallen
Schwäne!“
Ich
sah zu wie einer der Späne sich kurz bevor er auf dem Boden ankam in einen
winzigen Schwan verwandelte und davonflog. Einige der Kreaturen schwirrten
bereits um die Lampe unter der Decke, der Rest schien, wie der neue Schwan
auch, durch ein offenes Fenster entkommen zu sein.
„Wie
macht der das?“ Ich sah dem Mann immer noch mit offenem Mund zu, denn er hatte
gerade den nächsten Schwan erschaffen.
„Selbst
ohne die seltsamen Begleitumstände ist es eindeutig, dass das ein Zauberer sein
muss. Wer sonst würde eine total aus der Mode gekommene graue Robbe wie die da
anziehen?“
„Eine
Robbe?“
Tatsächlich
erkannte ich, dass der Mann ebenfalls eine magische Robbe trug. Seine sah
allerdings recht ramponiert aus und hatte, wie Blue bereits festgestellt hatte,
einen seltsamen Schnitt. Unseren Robben war zum Glück trotz der Reise durch den
Brombeerbusch nichts weiter passiert.
Die
Frau war nun hinter der Theke hervorgekommen und stand an unserem Tisch. „Kann
ich Ihnen etwas bringen?“
„Äh…
was gibt es denn?“, fragte ich etwas kleinlaut. Die Schwäne hatten mich
abgelenkt.
„Ich
könnte euch eine Sekunade anbieten.“
Bei
ihren Worten hoben plötzlich alle Gäste des Saubertranks die Köpfe. Das musste
was Besonderes sein.
„Das
ist eine Limonadensorte“, erklärte Blue mir flüsternd als er meinen verwirrten
Gesichtsausdruck sah. „Die ist aus Sekunden gemacht und man soll damit
angeblich in der Zeit reisen können wenn man genug davon trinkt. Ich kenne zwar
keinen bei dem das funktioniert hat, aber… stell dir vor was wir machen könnten
falls wir das hinbekommen! Wir könnten in der Zeit zurückreisen und Bunnyinvasion
aufhalten!“
Das
war eine ganz neue Lösung für das Problem. Allerdings gefiel mir das Grinsen
der Wirtin nicht besonders. Ich hatte so meine Zweifel ob das, was sie uns
anbieten wollte, wirklich Sekunade war.
„Wir
hätten gerne zwei Gläser!“, rief Blue da allerdings schon.
Von
allen Seiten des Raumes aus gingen Bestellungen ein und schon bald hatte jeder
mindestens ein riesiges Glas mit Sekunade vor sich stehen.
„Auf
dein Wohl!“, prostete Blue mir zu und nahm einen großen Schluck.
„Blue…
ich weiß wirklich nicht ob das so eine gute Idee ist…“
„Man,
ist das lecker!“, unterbrach er mich. „Ich wusste gar nicht, dass Sekunade auch
noch so gut schmeckt! Probier das Mal, Mia!“
Die
anderen Gäste hatten auch alle schon an ihren Getränken genippt und bisher war
nichts Seltsames passiert. Also gut. Wenn ich Smutjes Pantoffeln essen konnte,
dann würde ich auch das hier trinken können.
„Prost.“
Ich
nahm einen Schluck. Eigentlich schmeckte das wirklich nicht übel. Das Getränk
war warm sobald es meine Zunge berührte und hatte einen süßlichen Geschmack,
den ich nicht ganz einordnen konnte.
„Eigentlich
nicht übel.“ Ich nahm noch einen Schluck. „Aber ob das Sekunade ist weiß ich
immer noch…“
Ich
stoppte, denn plötzlich war die Wärme aus meinem Mund in meinem Magen
angekommen. Das fühlte sich jetzt nicht mehr so gut an. Eine Hand umklammerte
noch immer das Glas, die andere presste ich mir auf meinen Bauch.
„Und?
Und? Reist du in der Zeit?“
Ich
ließ das Glas los und faltete mich auf dem Tisch. Freundschaf gab ein
klägliches Mähen von sich und stupste meine Hand an, die so dünn wie Papier
geworden war. Mühsam entfaltete ich mich.
„Was
zum Teufel…?! Ich bin in 2D!“, kreischte ich.
Die
restlichen Gäste des Saubertranks starrten zu unserem Tisch hinüber und
begannen zu grinsen. Ich hingegen fand das gar nicht lustig.
„Das
ist die Nebenwirkung von Sekunade“, erklärte die lachende Wirtin. „Es ist
immerhin ein magisches Getränk. Die Wirkung lässt irgendwann nach, manchmal
schneller, manchmal langsamer.“
Blue
versuchte gerade seinen Lachanfall unter Kontrolle zu bringen. Er schaffte es
nur mich auf meinem Stuhl auszubreiten, wo ich im Wind des offenen Fensters hin
und her wehte.
„Das
ist nicht witzig!“
„Doch
ist es“, prustete er.
Ich
verschränkte die Arme vor der Brust. Oder versuchte es zumindest. Denn wenn die
Dinger so dünn waren wie ein Stück Papier war das gar nicht so einfach. Als das
warme Gefühl in meinem Magen zurückkehrte bekam ich es mit der Angst zu tun.
Wenn mich diese Sekunade jetzt noch in einen Origamikranich faltete, war aber
Schluss!
Stattdessen
machte es plopp und ich saß in alter
3D-Pracht wieder auf meinem Stuhl. Mein wütender Blick stoppte endlich Blues
Lachanfall. Das ermöglichte es ihm allerdings einen weiteren Schluck von der
Sekunade zu nehmen.
„Bist
du verrückt? Du siehst doch was mit mir passiert ist! Das Zeug ist
gemeingefährlich!“
„Ach
was. Du bist doch auch wieder normal, oder?“ Er leerte sein Glas in einem Zug.
Dann fuhr eine seiner Hände zu seinem Bauch.
Selber
Schuld. Was auch immer jetzt kam hatte er verdient. Ich hoffte im Stillen, dass
er sich ebenfalls in eine Karte verwandelte. Dann würde ich mal probieren ob
das mit dem Origamikranich nicht doch funktionieren würde. Es gab das bekannte Plopp und…
„Ich
glaube ich bin doppelt weil ich zu viel getrunken habe. Was meinst du?“
Blues
Stimme kam nicht ganz aus der Richtung aus der ich sie vermutet hatte. Denn
obwohl er mir immer noch gegenübersaß, war auf dem Stuhl direkt neben ihm ein
zweiter Blue erschienen. Der grinste mich an und schnappte sich meine Sekunade.
„Wow,
Ich wusste gar nicht, dass man sich verdoppelt wenn man zu viel trinkt“, meinte
Doppelgängerblue und nahm einen Schluck aus meinem Glas.
„Meinst
du wirklich es ist ratsam dann noch mehr zu
trinken?!“, schrie ich ihn an.
„Hey,
das ist praktisch wenn man Arbeiten schreibt!“, meinte der Blue, der eben erst
aufgetaucht war und von dem ich beschlossen hatte ihn Blue2 zu nennen. „Noch
mal Sekunade bitte!“, rief er der Wirtin zu.
„Nein!“
Doch
jeder ignorierte meine Proteste. Auch an den Nachbartischen gab es allseits
Gelächter als sich Menschen in verschiedenste Sachen verwandelten. Einige von
ihnen hatten sogar Handys rausgeholt oder andere magische Gerätschaften, um
anderen Leuten Bescheid zu sagen, dass es einen Sekunadenparty gab. Ich hatte
das Gefühl, dass es demnächst im Saubertrank sehr voll werden würde.
„Auch
ein Schluck?“, fragte Blue2.
Wow, das wär echt nicht schlecht... dann könnte mein zweites Ich am Referat arbeiten und ich weiter prokastinieren.
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