Mittwoch, 26. November 2014

26. Kapitel



„Guten Morgen, Schafmütze“, begrüßte ich Blue sobald er die Augen aufschlug.
Einen Moment lang blinzelte er verwirrt während er seinen Kopf abtastete, um zu sehen warum ich ihn so geweckt hatte. Die Mütze war weiß und hatte auf der Vorderseite das Gesicht eines Schafs mit einem Kleeblatt an der Seite. An den Seiten hingen insgesamt vier Beine herunter, zwei auf dem Rücken und zwei, die rechts und links von Blues Kopf auf seinem Shirt baumelten.
„Warum habe ich eine Schafmütze auf?“, fragte er und riss sich das Ding vom Kopf. „Und warum liege ich auf einem Pferd?“
„Deine Ohren hatten angefangen zu wachsen und um sie daran zu hindern… naja.“ Ich deutete auch die Schafmütze am Boden. „Und ich dachte Beine hochlegen hilft vielleicht um den Zauber schneller vergehen zu lassen. Ich weiß nicht ob es funktioniert hat. Aber deshalb das Pferd.“ Ich deutet auf das Pferd, das sich mittlerweile aufgerappelt hatte und zum Grasen auf die Wiese trabte.
„Woher hattest du die Schafmütze?“
„Die hatte Oma mir eingepackt. Sie ist manchmal etwas überfürsorglich.“
Tatsächlich war ich froh gewesen die Mütze zu finden als Blues Ohren langsam aber sicher die Form von Eselsohren angenommen hatten. Das war gewesen nachdem Blue2 irgendwann mit einem Plopp verschwunden war und ich gedachte hatte endlich schlafen zu können. Stattdessen hatte natürlich sowas passieren müssen. Ich wollte gar nicht wissen wie ich mittlerweile aussah und bereute es mittlerweile den armen Kellner in Schreibstadt im Stillen immer Vampir genannt zu haben.
„Wo sind wir?“ Blue sah sich verwirrt um. „Ich glaube ich leide an Schafstörungen“, meinte er und rieb sich die Augen.
„Ich dachte es wäre das Beste uns ein wenig vom Saubertrank wegzubekommen. Spätestens wenn die ganzen Magier uns draußen gesehen hätten wäre irgendwas passiert. Die waren ja alle total dicht. Also habe ich uns hierher gebracht. Mich, Freundschaf, dich und deinen Doppelgänger.“
„Wo ist der eigentlich?“
Plopp“, erklärte ich nur.
„Gut. Der Typ ist mir tierisch auf die Nerven gegangen“, stöhnte Blue und hielt sich den Kopf. „Bin ich echt so nervig?“
„Die Frage beantworte ich besser nicht. Komm, wir sollten los. Immerhin müssen wir zum Könling. Du hast nicht vergessen, dass wir einen Auftrag zu erledigen haben, oder?“
Ich packte unsere Sachen zusammen während Blue sich immer noch den Kopf hielt. Gut so. Das würde ihm hoffentlich eine Lehre sein irgendwelche Sachen zu trinken, die einen angeblich in der Zeit reisen ließen.
Schon bald waren wir wieder auf dem Weg. Beide hingen wir mehr über unseren Pferden, als dass wir saßen. Blue, weil er den schlimmsten Hangover aller Zeiten hatte, ich weil ich so müde war wie schon lange nicht mehr und sich anscheinend ein Schnupfen ankündigte. Einzig Freundschaf war gut gelaunt, und mein Plotbunny. Ich hatte die Zeit in der Nacht genutzt, um ihm ein wenig Wortsalat zu schreiben. Außerdem hatte ich ein wenig vorgeschrieben, damit ich es regelmäßiger füttern konnte.
Ich begann zu niesen und hörte plötzlich ein leises Kichern in meinem Kopf.
„Hallo?“
„Was ist?“, kam die Antwort von Blue.
„Nicht, ich dachte nur. Hatschi!“ Das Lachen ertönte wieder. „Wer lacht da so blöd!“
„Oh, ich glaube ich weiß was los ist.“ Blue grinste. „Du hast dir über Nacht wohl einen leichten Spott eingefangen.“
„Was ist ein – hatschi!“, nieste ich und mein Kopf fing schon wieder an zu scherzen. Das dürfte doch nicht wahr sein!
„Das ist eine Krankheit aus der Comedygegend. An der Grenze ist sie recht häufig anzutreffen, vor allem wenn man viel gelacht hat. Hast du viel gelacht?“, wollte er wissen.
„Nein. Aber dein Doppelgänger. Also bist du Schuld, dass ich mir einen Spott eingefangen habe! Hatschi!“, beendete ich den Satz und das Lachen erklang wieder. „Na super. Wie lange muss ich jetzt damit rumlaufen?“
„Das legt sich meistens nach einem Tag, keine Sorge. Pass nur auf, dass du niemandem einen Schalg oder Schalk versetzte. So überträgt sich das nämlich.“
Wir kamen an einem verfallenen Beifallsturm vorbei und Blue zügelte sein Pferd. „Wir sind zu weit in der Comedygegend. Wir müssen zurück. Zeig doch mal die Katze.“
Die hatten wir ebenfalls von Oma und Phoenix mitbekommen, da sie zwei der Meinung waren wir würden uns am ehesten verlaufen.
„Vergiss es! Nachher kotzt du noch auf das arme Ding. Ich übernehme das.“
Ich zog die Faltkatze aus meinem Rucksack und begann sie glattzustreichen. Blue streckte die Hand nach der Katze aus, doch ich riss sie an mich.
 „Zeig doch mal.“
„Nein! Du schuldest mir immerhin was!“, rief ich wütend.
Ich hielt die Katze hoch in die Luft, doch er war größer als ich und seine Finger streiften die Katze. Also bestrafte ich den Versuch mit einem Schalg ins Gesicht.
„Hey! Was soll das denn?“ Ich holte zu einem weiteren Schalk aus, doch Blue hob die Hände. „Ich ergebe mich! Man, Mädchen! Du hast sie nicht mehr alle!“
Grummelnd ließ sich Blue zurück in den Sattel sinken während ich die Katze vor mir hielt.
„Wir sind also beim Beifallsturm. Wenn wir nach Westen reiten sollte ein Dorf in Sicht kommen. Von dort können wir dann weiter zum Könling reisen.“
Ich faltete die Katze wieder zusammen und steckte sie in meinen Rucksack. Blue sah mich wütend an.
„Beschwer dich nicht! Ich habe gestern gleich zwei von dir an der Backe gehabt.“
Blues Laune hob sich etwas als sich meine Vorhersage bewahrheitete und das Dorf in Sicht kam. Es war recht groß, fast schon eine kleine Stadt.
„Vielleicht gibt’s da was zu Essen!“
Blue ließ sein Pferd im Trab gehen bis er die ersten Häuser des Dorfes hinter sich gelassen hatte. Ich schloss schnell auf und sogar Freundschaf begann zu rennen, um mitzuhalten. Ich stoppte mein Pferd allerdings als ich einen Aushang an einem Scheunentor bemerkte.
„Mann wird als Betrüber hingerichtet werden“, las ich. „Hey, das ist heute! In der Comedygegend anscheinend.“
Des Weiteren wurde ich informiert, dass heute ein Friedkicher-Tag war. In der Beschreibung stand, es bedeutete, dass heute alle in Frieden kichern konnten. Gut zu wissen. Dann war mein Spott wenigstens legal. Obwohl der in der letzten Stunde langsam abgeklungen war.
Blue hatte mich nicht gehört und ich würde bestimmt nicht fragen was ein Betrüber war. Vielleicht jemand der Leute betrübt machte. In der Comedygegend war das vermutlich ein schlimmes Verbrechen. Ein anderes Plakat am selben Scheunentor pries die Vorteile der Witzenrente an.
„Hallo“, hörte ich Blue zu jemandem sagen. Als ich mich umdrehte sah ich, dass er mit einem kleinen Mädchen redete. „Kannst du mir vielleicht sagen wo es hier ein Gasthaus gibt?“
Aber sie sagte nichts, sie lächelte nur. Sie war echt, saß da und lächelte. Sie lächelte ihn an und dieses Lächeln war ihm gewidmet. Das Lächeln, was sie lächelte, war ein wahres Lächeln, wie sie es noch nie gelächelt hatte.
„Sag mal, kann die auch aufhören zu lächeln?“, flüsterte Blue mir zu. „Ich finde das langsam echt gruselig.“
Er wartete noch einen Moment ob sie ihm eine Antwort geben würde, doch als sie nur weiter lächelte wendete er das Pferd und ritt in die Richtung, in der auch ich die Mitte des Dorfes vermutete. Der Turm einer Krieche ragte über den Dächern auf, was immer ein guter Anhaltspunkt war.
Tatsächlich fanden wir hier einige Läden. In einer Seitengasse standen außerdem Birnen und warteten auf Kundschaft. Wie praktisch wenn sich das Obst selbst verkaufte! Wir waren mittlerweile von den Pferden gestiegen und führten sie neben uns her. Blue blieb am Fenster einer Bäckerei stehen.
„Ich glaube hier hole ich mir was. Warte kurz hier.“
Er war im Begriff mir die Zügel seines Pferdes in die Hand zu drücken, als sich zwei Brote im Schaufenster in die Arme fielen. Oder in die Semmeln. In was auch immer.
„Ich leibe dich! Weißt du das?“, rief das eine.
„Ich leibe dich auch. Schon seit langem!“
Dabei schrien sie aus Laibeskräften und die anderen Gebäckstücke im Fenster sahen sie befremdlich an.
„Vielleicht hole ich mir doch lieber nichts…“
„Was soll denn das jetzt heißen?“, beschwerten sich einige Muffins im Schaufenster. „Nur weil die zwei Knallköppe da sich nicht zusammenreißen können willst du uns andere auch nicht mehr? Frechheit! Auf ihn mit Gebrüll!“
Das Gebäck startete seine Attacke, indem es als erstes die Schaufensterscheibe zu Bruch gehen ließ. Eine Giraffe in einem Strickpullover, die auf der anderen Straßenseite gestanden hatte, zuckte zusammen und rannte davon. Für uns war es leider zu spät. Ich hatte ganz schön Muffinsausen, denn die Muffins sausten gerade durch die Luft und landeten mit der Schokoladenseite nach oben in meinem Gesicht.
„Waaaah! Mach das weg, mach das weg!“, kreischte Blue.
Auch ich war von Gebäck umschwärmt. Mit den Armen rudernd versuchte ich mich gegen die Süßigkeiten zu verteidigen. Einige von ihnen zertrat ich unter meinen Füßen. Über allem war das Rufen des Bäckers zu hören, der endlich bemerkt hatte was seine Kreationen angefangen hatten.
„Was macht ihr mit meinen Muffins! Nein!“
„Was machen wir mit den Muffins? Eher was machen die mit uns! Die Dinger…“
Ich konnte nicht weitersprechen, da einer der Muffins in meinem Mund gelandet war. Ich begann zu kauen und aß den Muffin ganz einfach auf. So, das hatte er davon. Und schmecken tat er auch ganz gut. Doch auf einmal spürte ich wie mir das Brot in den Kopf schoss. Das Gebäck hatte aus einem Kuchenblech eine Art Rampe gebaut, über die es nun einen Laib Brot nach dem anderen auf uns abfeuerte.
„Au. Au! Aufhören!“
„Nein!“, hörte ich plötzlich einen Schrei. „Ich leibe dich doch!“ Und eins der Brote wegen denen alles angefangen hatte landete an meinem Kopf.
„Jetzt reicht’s mir aber!“
Am liebsten hätte ich sie alle abgemust, aber die Lebensmittel zu Mus zu verarbeiten war erstens zu gut für die Mistdinger und dauerte zweitens zu lange. Also griff ich in das Schaufenster hinein und riss den Gebäckstücken das Blech aus der Hand… äh, oder mit was auch immer die das hielten.
Damit schlug ich alle Muffins, die noch in der Luft herumsausten bis sie auf dem Boden der Tatsachen ankamen. Wo sie dann prompt unter meinen Stiefeln zerquetscht wurden. Das war nah genug an Mus. Dasselbe tat ich für Blue, der ebenfalls von Gebäck belagert wurde, sogar noch mehr als ich, da er derjenige war, der die Muffins verschmäht hatte.
Danach war Blue allerdings kreideblech im Gesicht, denn mit dem Teil hatte ich ihm aus Versehen einen Schlag verpasst. Da das mehlig gewesen war, sah er nun aus als wäre er in eine Mehltüte oder eine Schachtel mit Kreide gefallen.
Das Blech als Schild benutzend zogen wir uns zurück bis das Gebäck einen zu weiten Weg zurücklegen musste um uns zu erreichen.
„Mein schönes Gebäck!“, heulte der Bäcker, machte aber keine Anstalten uns zu folgen.
Unsere Pferde hatten sich während der Muffinattacke losgerissen und standen am anderen Ende des Platzes. Eins davon kaute auf etwas, das hoffentlich Brot und keine Schokolade war.
„Einen schlimmeren ersten Eindruck hätten wir wohl kaum machen können“, murmelte ich und sah zu Blue hinüber.
Der war von oben bis unten mit Schokolade bedeckt, da auch ihm die Muffins ordentlich zugesetzt hatten. Die Beule auf der Stirn, die ich ihm mit der Feige verpasst hatte, hatte neue Farben bekommen. Vermutlich hatte ihn dort ein Brot getroffen.
„Was machen wir denn jetzt? Ich will unbedingt etwas zu essen bekommen“; heulte er.
„Ehrlich? Du kannst jetzt noch ans Essen denken? Ist in deinem Kopf eigentlich noch Platz für was anderes?“, schrie ich ihn an.
Er öffnete den Mund um mir zu antworten, doch stattdessen starrte er über meine Schulter auf den Platz, den wir soeben überquert hatten. Eine Menschenmenge hatte sich dort versammelt. Einige sahen noch auf das Chaos, das beim Bäcker angerichtet worden war und den Bäcker selbst, der weinend zwischen seinen zertretenen Muffins saß. Andere hatten uns entdeckt. Vollkommen beschmiert mit Schokolade. Wir mussten sehr schuldig aussehen.
„O-oh.“
Knarrend klappten sich die Leute auseinander.
„Und was ist das jetzt wieder? Leute getarnt als Stühle?“
„Sowas in der Richtung.“
Ich starrte auf die Menschen – oder was auch immer es waren – deren Gliedmaßen sich gerade streckten. Das Knarren klang in meinen Ohren und bohrte sich in mein Gehirn.
„Und was sollen wir tun?“, fragte ich Blue, der mit offenem Mund die Stuhlmenschen beobachtete.
„Lauf!“
Doch als wir uns umdrehten waren dort ebenfalls sich verformende Leute zu sehen. Arme und Beine wurden länger, verknoteten sich oder verwuchsen. Die Leute waren nicht einmal mehr als Menschen zu erkennen. Ich wich einen Schritt zurück, doch hielt dann inne. Auf allen Seiten spielte sich dasselbe ab. Wir saßen in der Klappmühle.

1 Kommentar:

  1. Die Comedy-Gegend ist ein ziemlich seltsames Pflaster... was mich daran erinnert warum ich in der Fantasy-Gegend zuhause bin.

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