Montag, 3. November 2014

3. Kapitel


Als die Landschaftsbeschreiung zu Ende war, fing es bereits an dunkel zu werden und meine Ohren dröhnten.
„Wow. Das war laut“, bemerkte ich nur als uns der Pimpf ein AUF WIEDERSEHEN zuschrie.
„HAST DU WAS GESAGT?“ Meine Oma rieb sich die Ohren. „DAS WAR… oh. Entschuldigung. Dieses ganze Schreien...“
„Wenn ich jemals wütend bin und etwas zum Abreagieren brauche, weiß ich was ich tun muss.“
Wir waren vor dem Café der planlosen Schreiber rausgelassen worden. Das hatte mittlerweile geschlossen und nur wenige Leute waren unterwegs. Wir waren auf unserer Fahrt etwas aufgehalten worden, weil unser Guide zuerst keinen Schluss gefunden hatte einen Hügel zu beschreien und dann meinte dem Mond eine Beleidigung nach der anderen an die Krater werfen zu müssen.
Vorausdenkend wie sie war, hatte meine Oma Proviant eingepackt. Sie hatte es sogar geschafft allen Mitreisenden sowie dem Monokeltyp ein paar Kekse anzudrehen, sodass alle wenigstens eine Minute lang hatten leise sein müssen während sie kauten. Trotzdem hatte mein Bauch schon vor Stunden begonnen sich zu beschweren. Glücklicherweise hatte man das über das Geschrei kaum hören können.
„Wie wäre es mit einem Imbiss in der Nachtschicht?“ Anscheinend war ich nicht die Einzige, die an Essen dachte. „Das ist ein Nachtlokal, das rund um die Uhr geöffnet hat.“
Das war genau nach meinem Geschmack. Nach einigen Minuten stellte ich jedoch die Entscheidung meiner Oma in Frage. Es war eine Sache nachts dem Treiben von einem Fenster aus zuzusehen. Es war eine andere Sache mitten zwischen den seltsamen Gestalten herumzulaufen. Ich hätte schwören können, dass die Frau mit dem Krokodil in einer kleinen Gasse verschwand gerade als wir auf eine Nebenstraße abbogen. Außerdem musste ich dem Choleriker Recht geben. Die Krieche sah im Dunkeln ziemlich unheimlich aus.
Auch die Bewegung der Bäume war nicht hilfreich. Überall bewegten sich Schatten im Licht der mittlerweile wieder hochgefahrenen Laternen. Das einzige Mal, dass meine Oma ihre Schritte beschleunigte, war jedoch als wir an einer dunklen Seitenstraße vorbeikamen, in der ein Mann an einer Mauer lehnte.
„Was war das für einer?“, fragte ich sie im Flüsterton sobald wir die Straße hinter uns gelassen hatten.
„Der verkauft P-Ps. Das sind Prokrastinier-Pillen. Angeblich sollen sie einen davon abhalten zu prokrastinieren und das Schreiben aufzuschieben, aber das Zeug hat schreckliche Nebenwirkungen. Unter anderem Hysterie und den Drang alles gleichzeitig zu erledigen.“
Als ich mich umdrehte sah ich, dass eine Gestalt in die Gasse gegangen war, in welcher der Dealer wartete. Ich konnte mir nicht sicher sein, aber selbst auf die Entfernung sah der Mann sehr nervös aus.
„Allerdings weiß man nicht wo man anfangen soll“, fuhr meine Oma fort. „Deshalb macht man alles gleichzeitig und wird mit nichts fertig. Einige drehen deshalb irgendwann vollkommen durch.“
„Tut denn keiner was dagegen?“
„Das ist eine Droge. Natürlich versucht die Pilzizei etwas dagegen zu unternehmen. Aber das Zeug taucht immer wieder irgendwo auf. Versprich mir, dass du niemals P-P nehmen wirst.“ Sie war tatsächlich stehen geblieben und sah mich mit einem ernsten Gesichtsausdruck an, der so gar nicht zum normalen Verhalten meiner Oma passen wollte.
„Keine Sorge. Warum sollte ich das auch nehmen?“
„Versuch du mal NaNo zu schreiben während du nebenher Internet hast“, murmelte sie nur. „Da kommen die besten Leute auf dumme Gedanken.“
Weiter vorne war ein Gebäude hell erleuchtet. Ein flackerndes Neonschild über der Tür verkündete, dass dies das gesuchte Nachtschicht-Lokal war. Vor der Tür stand das Mottorad, immer noch mit Bunny-Thema.
Es saßen mehr Leute in der Nachtschicht als ich vermutet hatte. Zu meiner Überraschung stand der Kellner mit den Augenringen hinter der Theke und reinigte gerade die Kaffeemaschine. Also doch kein Vampir. Der war wohl nur überarbeitet. In einer Ecke auf einem der bequem aussehenden schwarzen Ledersofas lag eine Frau, die augenscheinlich schlief. Ein Mann hockte vor einem Notebook und hieb wie verrückt auf die Tasten ein.
Der einzige, der redete, war ein Mann, der direkt vor der Theke saß. Er schwankte ein wenig, was wohl bedeutete, dass er nicht mehr ganz nüchtern war.
„Un dann hadder wider son spissen Kommendar gebrach – hick! Könnense sich das vor – hicks! – sdellen?“
Der Mann nahm noch einen Schluck aus seinem Glas. Da wir gerade recht nah an ihm vorbeigingen meinte ich einen leichten Geruch von Wodka wahrzunehmen.
„Das kann ich mir sogar sehr gut vorstellen. Der Mann ist immerhin Ihr Keifer“, meinte der Kellner gelangweilt und begann die Kaffeemaschine zusammenzuschrauben. „Das ist die männliche Variante der Schwiegermutter. Auf einem Familienfest ist der fast nicht zu verfehlen und dass er schlechte Laune hatte, wundert mich auch nicht. Die natürlichen Feinde eines Keifers sind nun mal Schwiegersöhne.“
„Abber ich liebse doch! Da kanner doch nich – hicks!“ Er stürzte den Rest seines Drunks herunter und knallte das Glas auf die Theke. „Noch ma ein, bidde.“
Kopfschüttelnd schenkte der Kellner ihm Wodka nach. Meine Oma zog mich in eine Ecke zu einem freien Tisch. Die Sofas waren wirklich so bequem wie sie aussahen und ich ließ mich ein wenig tiefer hineinsinken. So ähnliche Möbel hatten wir an meiner Schule in der Bibliothek gehabt.
Der ganze Raum hatte ein angenehmes Ambiente, abgerundet durch einen Kronleuchter, der sich in der Mitte des Raumes befand. Ein paar der Kristalle, die an den Streben hingen, fehlten, aber das machte ihn in meinen Augen nur interessanter.
„Hier könnte ich gut schreiben“, stellte ich fest. „Der Raum ist irgendwie wohnzimmerisch.“
„Dann bist du wohl eine Nachteule.“
Meine Großmutter wartete darauf, dass der Kellner kam, um unsere Bestellung aufzunehmen, doch der war noch mit der Kaffeemaschine beschäftigt, während er ganz offensichtlich versuchte den betrunkenen Schwiegersohn zu ignorieren.
„Das könnte ein Problem werden. Ich bin eine Frühaufsteherin und deshalb auch Frühschreiberin. In der Zeit kommen mir einfach die besten Ideen“, erklärte sie.
„Mein Gehirn ist erst ab 18 Uhr wirklich funktionstüchtig. Ich…“
Mein Satz wurde unterbrochen als ein ohrenbetäubender Lärm begann. Der Betrunkene schlug vor Schreck sein Whiskyglas von der Theke, doch den Aufprall und das Splittern des Glases hörte man nicht einmal. Die Frau, die in der anderen Ecke geschlafen hatte, fiel von ihrem Sofa und rieb sich den Kopf, den sie sich an der Tischkante angeschlagen hatte. Der Vampir-Kellner hatte sich endlich von seiner Kaffeemaschine abgewandt und fuchtelte wild mit den Armen herum. Meine Oma war bleich wie ein Gespenst geworden, sodass ich mich fragte ob ich die falsche Person verdächtigt hatte ein Vampir zu sein.
Ich selbst… wahrscheinlich wäre ich erschrockener gewesen hätte ich mir nicht den ganzen Tag schon den Lärm der Landschaftsbeschreiung antun müssen. Trotzdem würden mich meine Trommelfelle eine ganze Weile hassen.
„Was zum Teufel ist hier los?!“, schrie ich in Richtung meiner Oma, so nah an ihrem Ohr wie ich wagte.
„Das ist die Bunnyalarmglocke!“, schrie sie zurück.
„Die was?“
Doch in dem Moment wurden wir beide zur Seite geschleudert als die Frau, die ehemals schlafend in der Ecke gelegen hatte, sich einen Weg zum Ausgang bahnte. Auf ihrer Flucht warf sie einige Stühle um und verschwand schließlich durch die Tür.
Mittlerweile raste mein Herz wie wild. Mit seltsamen Wörtern konnte ich umgehen. Selbst mit schreienden Guides. Aber das hier zehrte am letzten Rest meiner Nerven.
„Kann das nicht irgendwer ausmachen?!“
Statt mir zu antworten, nutze meine Oma den Pfad, der zwischen die Tischreihen geschlagen worden war, um uns beide ebenfalls durch die Tür zu bugsieren. Ein letzter Blick auf das Nachtlokal zeigte mir, dass der betrunkene Schwiegersohn immer noch auf seinem Barstuhl hockte, einen leeren Blick im Gesicht, während der Kellner die Rollläden herunterließ und die Tür hinter uns verrammelte.
Dann bemerkte ich das Licht. Alle Straßenlaternen hatten begonnen statt dem weißen Licht, das sie normalerweise verströmten, rot zu blinken. Das ungute Gefühl in meinem Bauch wurde nur stärker.
Fast in allen Häusern, an denen wir vorbeiliefen, waren nun Lichter angegangen. Wir waren diejenigen, die durch Fenster beobachtet wurden. Viele Leute waren auf die Straße gelaufen, vor allem, um sämtliche Lücken an ihren Häusern zu schließen. Die wenigen Menschen, die uns auf der Straße begegneten, hatten denselben gehetzten Ausdruck im Gesicht wie meine Oma.
„Was ist hier los?!“, schrie ich erneut und stemmte meine Füße in den Boden.
Meine Oma blieb notgedrungen stehen. Dabei warf sie jedoch einen nervösen Blick über ihre Schulter. Ihr lila Hut war verrutscht und hing schief auf ihrem Kopf. Die goldenen Ringe an ihren Fingern und die goldenen Ketten an ihrem Hals funkelten rot im neuen Licht der Straßenlaternen.
„Das ist die Bunnyalarmglocke“, wiederholte sie. „Das bedeutet, dass eine Horde von Plotbunnys in die Stadt eingedrungen ist. Alle müssen sofort in ihre Häuser zurückkehren und auf Anweisungen warten.“
„Was?“ Entgeistert betrachtete ich das blinkende Chaos um mich herum. „Das sind doch nur Hasen!“
Die Augen meiner Oma wurden plötzlich groß und ihr Griff um mein Handgelenk wurde fester. Obwohl sie versuchte mich weiterzuziehen, drehte ich mich um.

5 Kommentare:

  1. Köstlich! :-) Du hast einen sehr angenehmen Schreibstil, kaum zu glauben, dass das hier "nur" ein erster Entwurf ist und du das Ganze in Rekordzeit geschrieben hast. Ich werde auf jeden Fall gespannt auf die weiteren Teile warten. Alles Gute :-) Hyäne (aus dem NaNo-Forum)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke. :)
      Mein Schreibstil ist tatsächlich das womit ich am meisten hadere, also motiviert mich das sehr wenn du ihn magst.

      Außerdem weiß ich nicht in wie weit ich die Geschichte großartig überarbeiten werde. Die ist ja mehr zum Spaß und zur Unterhaltung geschrieben. Etwas, das man sich vielleicht vor dem nächsten NaNo zur Motivation durchlesen kann, oder um sich in Stimmung zu bringen. :)

      Löschen
  2. Mwuhahahaha :D Mein Keifer ^^ Freut mich, den hier zu sehen!
    Plotbunnyalarm, wie geil :D Bin ja mal gespannt, wie das weitergeht. Kommen dann ausgebildete Plotbunny-Jäger (mit dem Motorrad?) und fangen die wild gewordenen Häschen ein? O.O

    AntwortenLöschen
  3. Prokastinierpillen als Drogen... ich kann ehrlich nicht sagen ob ich das gut oder schlecht finden würde in der Realität aber in der Geschichte ist es super.

    Also ich kann auch nur sagen, das dein Schreibstil mir sehr gefällt, weiß man noch dazu wann du das geschrieben hast und wie schnell dann Hut ab ^^

    Die Plotbunnyinvasion also <.< Wahrscheinlich sucht die uns nächstes Jahr auch wieder heim XD

    AntwortenLöschen
  4. Wow, das ist ein fieser Kliffhanger! Der Angriff der Plotbunnys :O
    Und die Prokrastinier-Pillen klingen furchtbar fies. So eine würde ich nicht nehmen wollen.

    AntwortenLöschen