Sonntag, 30. November 2014

30. Kapitel



„Alles klar und bereit zum Tarnsport?“
Phoenix sah wesentlich motivierter aus als sie am letzten Tag gewesen war. Aus ihrem geschwärzten Gesicht leuchteten ihre weißen Zähne und sie hatte sich sogar eine schwarze Mütze übergezogen. Ihre Robbe hatte sie gegen die dunkle Regenjacke ausgetauscht, die sie ganz am Anfang getragen hatte. Das einzige, das den Eindruck eines Einbrechers zumindest etwas zunichte machte, war die Kette, die um ihren Hals hing. Marga war sie schon früher aufgefallen. Es war eine rot-goldene Feder, die aussah als wäre sie aus Metall. Sie musste etwa so lang sein wie ihr Mittelfinger.
Marga war wesentlich weniger wohl bei der Sache. Sie fühlte sich schlecht in der dunklen Kleidung und die Farbe in ihrem Gesicht juckte. Allerdings hatte sie dem Plan zugestimmt und würde ihn jetzt durchziehen müssen – schließlich mussten sie irgendwie in die Burg kommen und wenn das ihr einziger Plan war, mussten sie es wenigstens versuchen. Je schneller das geschafft war, desto schneller konnten sie diese schreckliche Gegend verlassen.
„Nicht bereit, aber es wird schon“, grummelte Marga.
Diese Horrorgegend saugte ihr ihre ganze gute Laune aus. Jetzt jedoch griff sie ihren Regenschirm fester und folgte Phoenix den Berg hinunter zur Burg. Die Pferde hatten sie im Wald auf einer Lichtung gelassen. Marga hatte sie nicht anbinden wollen. Falls etwas schief ging, sollten die Tiere eine Möglichkeit zur Flucht haben.
Der Wachosten war, wie der Name vermuten ließ, im Osten der Burg. Es war eine kleine Hütte, die direkt an die Burg gebaut worden war und immer von mindestens zwei Wachmännern besetzt war. Im Wachnorden, Wachwesten und Wachsüden sah es genauso aus. Sie hatten beschlossen den Wachosten außer Gefecht zu setzen, weil der am nächsten am Wald lag.
Phoenix schlich zuerst über die heruntergelassene Zugbrücke auf den schmalen Streifen Gras, der die Burg umzog. Auf diesem waren die Wachposten gebaut. Man musste bei einem von ihnen einen Hebel betätigen, um das Zuggitter der Burg zu überwinden.
Phoenix, die voranging, schaute vorsichtig durch eins der Fenster in die kleine Hütte. Dann sah sie sich um und sah sie an, um sich umzusehen und sie anzusehen. Sie hielt drei Finger hoch. Drei Finger, drei Wachen. Das war einer mehr als sie erwartet hatten. Allerdings machten Marga die Männer weniger Sorgen als die Krokodielen im Wassergraben.
Aus der Tasche zog Phoenix etwas leuchtend Rotes. Dann machte sie Feuer unter einer kleinen Zündschnur, die aus dem Ding hing und warf es durch das Fenster in die Hütte.
Es war als hätte sie Feuerwehrkörper auf glühende Kohlen geworfen – was sie in gewisser Weise getan hatte, denn genau das war es gewesen. Ein Feuerwehrkörper. Phoenix hatte ihr erklärt, dass sie in der freiwilligen Feuerwehr von Schreibstadt arbeitete und so auch Mr. Ian Woon kennen gelernt hatte. Zu Übungszwecken, wenn sie das Bekämpfen von Feuern üben wollten, hatte die freiwillige Feuerwehr extra für solche Einsätze Feuerwehrkörper hergestellt, um Feuer zu legen.
Einer davon ging nun in der Hütte los. Mit lauten Schreien verließen die Männer den Wachosten. Da Phoenix und sie sich in die Ecke zwischen Burg und Hütte gedrängt hatten bemerkten die Wachen sie nicht einmal als sie in Panik vorbeirannten.
Sobald sie außer Sichtweite waren stieg Phoenixfeder durch die Türöffnung in die brennende Hütte. Obwohl das ebenfalls Teil des Plans war, war Marga dabei gar nicht behaglich, doch sie verrichtete ihre Aufgabe und hielt mit dem Regenschirm im Anschlag Wache.
Das Rumpeln des Fallgitters ertönte und plötzlich erschien ihr der ganze Plan einfach nur dumm. Selbst wenn sie es in die Burg schafften, wie sollten sie wieder herauskommen? Das Rumpeln würde die ganze Burg aufwecken!
In dem Moment kehrte Phoenixfeder zurück. Nicht einmal ihre Kleidung war angesengt und sie trug wieder das breite Grinsen auf dem Gesicht.
„Beeil dich. Das Gitter bleibt eine Weile oben, aber ich habe es gerade so weit hochgezogen, dass wird zwei hindurchpassen.“
Sie ging um Marga herum und als erste durch das Fallgitter, das nun wirklich einen Spalt über der Erde schwebte. Von den Wachen war immer noch nichts zu sehen und so folgte Marga ihrer Kameradin in die Burg. Diese Jacke war wirklich erstaunlich. Sie schien tatsächlich aus Drachenhaut zu sein, wie Phoenix am Anfang einmal behauptet hatte. Als solche war sie natürlich feuerfest, was für eine Frau, die bei der freiwilligen Feuerweht arbeitete, natürlich nicht das Schlechteste war.
Kaum hatte sie sich durch den Spalt zwischen Gitter und Boden gezwängt, fiel das Gitter mit einem lauten Knall herunter. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ein Vor gab es allerdings auch nicht, denn urplötzlich wurde der Innenhof der Burg von hunderten Fackeln beleuchtet. Wachmänner standen auf allen Seiten und richteten im Licht glänzende Speere auf die beiden Eindringlinge. Sie waren eingespeert!
„Der Ham… Master erwartet Sie schon.“
Einer der Wachmänner trat vor. Mit einem Nicken bedeutete er zwei anderen Wachen sie in Gewahrsam zu nehmen. In diesem Fall bedeutete das ihnen eine Speerspitze in den Rücken zu drücken damit sie dem Mann folgten. Marga schluckte. Das gehörte definitiv nicht mehr zu ihrem Plan. Phoenixfeder sah entschuldigend zu ihr hinüber bevor sie durch eine Tür ins Innere der Burg geschoben wurde. Die Speerspitze im Rücken, trat sie ebenfalls ein.
Der Mann hatte gesagt der Master würde sie erwarten. Das bedeutete wohl, dass ihre Mission von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war.
Das Innere der Burg lenkte sie von ihren Gedanken ab. Die Wände sahen nicht mehr aus wie der Stein von draußen, sondern als seien sie etwas Lebendiges. Wenn sie sich auf eine Stelle konzentrierte, dachte sie fast die Wand atmen zu sehen. Da sie allerdings nie stehen bleiben dürfte (man erinnere sich an die Speerspitze in ihrem Rücken) konnte sie ihren Verdacht nicht bestätigen.
An einer Stelle war die Wand besonders schmal und zu beiden Seiten wuchs etwas, das aussah wie eine riesige Warze. Alle mussten sich durch diese Stelle quetschen, inklusive der Wachmänner, die ebenfalls angeekelte aussahen. Sie waren erwarzt worden.
„Iii, wie eklig“, murmelte Marga.
Dann jedoch weitete sich der Gang wieder bis er vor einer großen, eisenbeschlagenen Holztür endete. Einer der Wachmänner kopfte daran indem er seinen Kopf, der in einem metallenen Helm steckte, gegen das Holz schlug. Das tat er dreimal bis die Tür aufschwang.
Mit den Speeren im Rücken wurden beide in den Saal geschoben. Dann schloss sich die Tür hinter ihnen, ohne dass die Wachen ihnen gefolgt waren und sie standen dem Herrn des Schlosses gegenüber.
Ein totes Licht erfüllte den ganzen Saal und ließ ihn uneinladend und unheimlich wirken. Mehrere Soldaten standen in voller Rüstung im Spalier vor einem riesigen, steinernen Thron am Ende des Saals. Zu dessen Seiten standen mehrere Diener, die Tabletts mit allen möglichen Leckereien zu halten schienen. Auf dem Thron selbst hockte eine kleine Gestalt, etwa so groß wie normal großer Hund.
„Stopp!“, rief die Gestalt.
Phoenix und Marga blieben stehen und sahen sich fragend an. Die Stimme der Gestalt hatte hoch geklungen, so als hätte jemand zu viel Helium eingeatmet und versuchte nun mit einer Ehrfurcht gebietenden Stimme zu sprechen. Es hatte ein bisschen was von Mickey Maus.
„Ich bin der Master dieses Reiches. Niemand betritt oder verlässt mein Herrschaftsgebiet ohne meine Erlaubnis oder ohne dass ich es mitbekomme. Was wollt ihr hier, Diebe?“
Das Licht im Saal wurde heller bis Marga erkennen konnte wer auf dem Thron saß. Wäre die Situation nicht so furchteinflößen gewesen, hätte sie gelacht. Der Herrscher des Reiches war ein Hamster. In einen schwarzen Pelzmantel gehüllt und mit einer goldenen Krone auf dem fetten Kopf, hockte er auf seinem Thron. Auf vielen der Tabletts lagen, wie Marga nun feststellte, Nüsse und auf einem ringelten sich ein paar Würmer.
„Wir sind keine Diebe“, begann Phoenix. Auch um ihre Mundwinkel zuckte es.
So ganz korrekt war das nicht. Immerhin hatten sie vor die TSoD zu stehlen falls sie sich tatsächlich hier in der Burg befinden sollte. Wobei ihr selbst nicht ganz klar war, ob man es als Stehlen bezeichnen konnte wenn der Eigentümer der Sache keine Ahnung hatte wo sie sich befand und wie man da dran kam.
„Was seid ihr dann? Diejenigen, die die Plotbunnys auf mein Land losgelassen haben? Redet oder spürt den Zorn des Master!“
Marga musste ein Prusten unterdrücken. Der Hamster hatte wohl eine leicht cholerische Veranlagung. Die Diener behielten jedoch ihre ernsten Mienen bei, was sie sich fragen ließ, ob Lachen in dieser Situation angemessen war. Vermutlich war es das eher nicht.
„Wir versuchen die Plotbunnys aufzuhalten. Dazu brauchen wir die TSoD, die sich, laut Gerüchten, in einem Geheimraum in dieser Burg befinden soll.“ Offensichtlich hatte Phoenix beschlossen die Wahrheit zu sagen.
Vermutlich war das gut so. Auf die Schnelle war selbst ihr keine vernünftige Erklärung dafür eingefallen warum sie versuchten in diese Burg einzudringen. Alles andere hätte vermutlich ihre sofortige Enthauptung nach sich gezogen – oder, wenn der Hamster ein wenig kreativer war, hätte man sie den Krokodielen zum Fraß vorgeworfen.
„Die TSoD? Das ist nur ein Gerücht. In dieser Burg gibt es keinen Geheimraum. Ich selbst habe schon danach suchen lassen“, zeterte der Hamster. „Wachen! Werft die beiden den Krokodielen vor!“
Anscheinend war er ein wenig kreativ, was die Situation verschlimmerte.
„Wie Ihr wünscht.“ Einer der Soldaten verneigte sich tief. „Es soll alles geschehen wie Ihr es befehlt, Hamster.“
„Master, verdammt nochmal, Master! Wie oft muss ich euch das noch sagen!“, wetterte das cholerische Nagetier.
„Wie Ihr wünscht, Muster.“
„Master! Das heißt Master!“
„Natürlich, Eure Hiheit“, versuchte es der Wachmann erneut.
Unter dem Fell war der Kopf des Hamster bestimmt knallrot geworden vor Wut. Als König der Kiffer bezeichnet zu werden schien dem Herrscher der Burg gar nicht zu gefallen.
„MASTER!“, kreischte er. Dann jedoch wurde er verdächtig ruhig und musterte den Wachmann mit böse funkelnden Augen. „Ich habe es mir anders überlegt“, sagte er an eine andere Wache gewandt. „Werft zuerst den da in den Burggraben. Aber zieht ihm zuerst die Rüstung aus. Der Zimmermann für die Krokodielen kostet immer so viel wenn sie sich ihre Zähne ausbeißen.“
„Was… nein!“, rief der erste Wachmann. Doch zwei andere hatten ihn bereits gepackt und zerrten ihn zu einer Tür direkt hinter dem Thron. Das erklärte warum es keiner wagte zu lachen.
„Nun zu euch. Ihr glaubt wirklich hier einen geheimen Raum finden zu können?“
Der Hamster sah ein wenig interessiert aus, was ihr Hoffnung machte. Andererseits war es nachvollziehbar. Ein geheimer Raum in der eigenen Burg, den niemand finden konnte, war nicht gerade gut für die Reputation.
„Ja. Wir haben handfeste Beweise, dass es ihn gibt und einige Anhaltspunkte wo. Allerdings müssten wir uns in der Burg frei bewegen können.“
Bei den handfesten Beweisen hatte Phoenix etwas übertrieben. Der letzte Teil gefiel Marga allerdings besser.
„Mmh.“ Der Hamster winkte einem Diener heran, der daraufhin sein Tablett anhob, nahm sich eine Nuss und schob sie von einer Backe in die andere. „Mmh. Nun gut.“ Jetzt sprach er nicht mehr nur wie Mickey Maus, sondern nuschelte auch noch. „Unter einer Bedingung. Wenn ihr den Raum gefunden habt und sich darin tatsächlich die TSoD befinden sollte, dann gehört sie mir. Bevor ich sie habe verlasst ihr diese Burg nicht lebendig.“
Ein cholerisches Nagetier mit einer todbringenden Schaufel? Das kam ihr wie keine gute Idee vor. Phoenix nickte jedoch.
„Abgemacht.“
„Denkt daran. Ihr dürft euch frei in der Burg bewegen. Aber setzt ihr auch nur einen Fuß vor das Tor, seid ihr tot. Solltet ihr den Raum innerhalb von einer Woche nicht gefunden habt, ebenfalls.“ Mit einem Knacken zerbiss der Hamster die Nuss. „Habt ihr das verstanden?“
„Natürlich, Master.“ Phoenix verbeugte sich und Marga tat es ihr schnell nach.
Besonders die Anrede am Schluss schien dem Nagetier gefallen zu haben. Es winkte einer Wache.
„Führt die zwei auf ihre Zimmer. Sie sind bis auf Weiteres meine Gäste und als solche sind die zu behandeln solange sie sich an meine Bedingungen halten.“
Der Wachmann salutierte knapp und bedeutete den beiden dann mitzukommen. Sie wurden ebenfalls durch die Tür auf der anderen Seite geführt. Zum Glück waren die Wände hier aus normalem Stein. Margas Vermutung war, dass der andere Eingang nur dazu diente den Gästen Angst zu machen oder sie anzuekeln. Zumindest Letzteres funktioniert sehr gut.
Von vorne kamen zwei Wachen geeilt. Einer blieb in der Tür stehen während der andere dem Hamster Bericht erstattete.
„Der Wachmann, den wir in den Graben werfen sollten, ist auf der Flucht. Wir haben ihm die Rüstung abgenommen und vorsichtshalber auch noch den Rest der Kleidung bis auf die Unterhose. Aber er ist uns entkommen.“
„WAS?!“ Die Worte kamen in einem schärferen Tobfall als Marga sie je gehört hatte. „Findet ihn! Fangt ihn, wenn er noch lebt – und wenn nicht, dann tötet ihn!“
Der Wachmann stammelte etwas Entschuldigendes bevor er sich schnell durch die Tür zurückzog, die sein Kumpane ihm aufgehalten hatte. Wenn man bedachte was mit dem letzten Wachmann passiert war, der den Hamster verärgert hatte, war er glimpflich davongekommen.
Die beiden Wachen bogen in einen Gang ab, während Phoenix und Marga in einen anderen geführt wurden. Dort war gerade eine Frau dabei den Boden zu wischen. Sie ergriff wieder und wieder den Lappen, um ihn in den Eimer mit Seifenauge zu tauchen. Die Augen, sie sie aus der Seife her anschauten, erinnerten Marga sehr an die, die sie gestern im Cocktail gehabt hatten.
Der Raum, in dem sie von nun an untergebracht waren, war recht ansehnlich. Die Farben waren zu dunkel, doch immerhin waren die Wände aus Stein und nicht aus dem seltsamen Zeug vor dem Thronsaal. Das war alles worauf Marga gehofft hatte. Der Horror begann allerdings als sie sich auf ihre Seite des Bettes setzte. Entsetzt starrte sie auf die luxuroöse Bettwäsche, die prall gefüllt war mit Daumen. Ansteckend und ekelhaft!
„Also da drin schlafe ich nicht“, kommentierte sie das Bett trocken.
Die Matratze schien allerdings sicher zu sein und so entfernten sie und Phoenix nur die Bettdecke und das Kissen und rollten sich unter ihren Robben zusammen. Marga hielt sich nicht damit auf ihr Nachthemd anzuziehen.
Sie hörten wie ein Schlüssel im Schloss der Tür gedreht wurde. Dann wurde mit einem Quietschen die Türklinge heruntergedrückt um zu testen ob die Tür auch verschlossen war.
Es musste ganz schön weh tun auf so eine Türklinge zu drücken, dachte Marga noch bevor sie einschlief.

1 Kommentar:

  1. Die Wachen kopfen um zum Hamster zu kommen <.< Ich kann nicht mehr XD Und dann noch die Bezeichnungen ^^

    Jetzt läuft da auch noch ein nackter Wachmann rum... und eine Türklinge zu drücken, daran will ich erst gar nicht denken.

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