Die
Lautstärke war ohrenbetäubend, obwohl man im Gebäude der Pilzizei die Sirene
kaum noch hören konnte. Dafür war das Stimmengewirr umso schlimmer. Mehrere
Pilze befanden sich hinter Pulten, vor denen sich Menschen reihten. Andere
Pilze bewegten sich – auch wenn ich nicht genau erkannte wie, denn sie hatten
keine Beine – durch die Menge und brachten tapelweise Papier von einem Ort zum
anderen.
„Jetzt
macht der Name Sinn“, murmelte ich.
Auch
Menschen in Uniform eilten durch die Gänge, doch die kümmerten sich herzlichen
wenig um die Personen, die versuchten sie anzusprechen. Wir reihten uns in eine
der Schlangen vor dem Pult einer Stinkmorchel ein. Gerade war diese allerdings
damit beschäftigt einen Anrufer abzuwimmeln. Selbst über den Lärm der Leute
hinweg konnte man die Stimme der Frau deutlich vernehmen.
„Aber
in meinem Bett sitzt eine ganze Horde Plotbunnys und macht sich über meinen Wortsalat
her! Schicken Sie gefälligst wen vorbei!“, keifte die Stimme. „Die
Plotbunnyauffangstation sagt sie nehmen keine auf, weil sie total überlaufen
sind!“
„Tut
mir leid“, antwortete die Stinkmorchel in einem monotonen Singsang, der
deutlich machte wie wenig leid es ihr tat. „Aber wir sind vollkommen
unterbesetzt. Rufen Sie morgen früh nochmal an.“
„Aber
die Plotbunnys sind…!“, begann die wütende Frau.
„Der
nächste bitte.“ Die Stinkmorchel legte auf und schaute auf den Mann aus der
Schlange, der direkt vor ihm stand. „Was wollen Sie melden?“
„Ich
denke nicht, dass wir hier weiterkommen“, meinte meine Oma plötzlich.
Statt
weiter in der Schlange zu stehen, ließ sie sich auf einen Stuhl sinken, der an
der Wand stand. Anscheinend waren die für wartende Personen vorgesehen, obwohl
sie außer uns momentan niemand nutzte. Alle anderen waren auf den Beinen. Ein
Mann mit einer etwas anderen Uniform eilte vorbei. Er hatte auf beiden Seiten
der Brust das goldene Abzeichen, sowie seltsame Schulterdinger…
„Oma,
wie nennt man nochmal diese Schulterdinger da? Wie auf der Uniform von dem Kerl
da?“
„Oh
der? Das ist der Polizeiautor, der Leiter der Polizei. Aber wie man die
Schulterdinger nennt weiß ich leider auch nicht.“
Na
immerhin wusste ich jetzt wer das gewesen war. Ein anderer Pilzizist lief
vorbei, einen Käfig mit einem flauschigen Etwas in der Hand. Als er an uns
vorbeikam sah ich jedoch, dass das Etwas bei jedem Schritt nach seinen Fingern
schnappte, die sich um den Griff geschlossen hatten. Die Zähne waren so spitz
wie Nadeln und einigen blutigen Wunden nach zu urteilen hatten sie schon öfter
ihr Ziel gefunden.
„Auch
ein Plotbunny“, sagte meine Oma. „Findest du sie immer noch so niedlich? Das
muss ein besonders Schlimmes gewesen sein. Vielleicht ein Vampir-Roman. Aber
Twilight war das bestimmt nicht.“
„Oma…
meinst du wir sind hier sicher? Irgendwie scheint es mir nicht so als hätten
sie die Sache so gut unter Kontrolle…“
Ein
anderer Pilzizist kam vorbei, dieses Mal sogar mit zwei Käfigen unter dem Arm.
Jeder war vollgestopft mit mindestens drei verschiedenen Bunnys. Immerhin schienen
die nicht zu beißen.
„Vielleicht
hast du Recht. Wenn wir jetzt gehen, schaffen wir es vielleicht auf der anderen
Seite noch durchzukommen.“
„Aber
wohin sollen wir? Die ganze Stadt scheint überrannt zu werden von den
Viechern!“ Ich warf den Plotbunnys im nächsten Käfig, der vorbeigetragen wurde,
einen finsteren Blick zu. Erwidert wurde der mit einem süßen Naserümpfen, das
mein Herz schneller schlagen ließ. Sofort schaute ich zur Seite und widerstand
dem Drang dem Pilzizisten den Käfig aus der Hand zu schlagen, um das Bunny zu
befreien.
„Zu
mir nach Hause. Ich wohne im obersten Stock. Wenn wir die Tür verbarrikadieren
können die Bunnys nicht rein.“
„Bist
du sicher?“
Gerade
war wieder ein Käfig mit Bunnys vorbeigekommen und da eins von ihnen
offensichtlich mit einer Art Laserblick die Gitterstäbe geschmolzen hatte waren
nun mehrere Menschen und Pilze damit beschäftigt die Ausreißer wieder
einzufangen. Ein Cyborg-Bunny vielleicht?
„Relativ
sicher. Ich habe auch ein paar Tricks im Ärmel, weißt du?“ Meine Oma zwinkerte
mir zu und erhob sich von ihrem Stuhl.
Allerdings
wurde sie sofort wieder zurückgeworfen als ein Mann an uns vorbeistürmte, auf
einen der Pilzizisten zu, der gerade das letzte ausgerissene Bunny in einen
neuen Käfig gestopft hatte. Alles was ich vom Mann sah war eine graue Hose,
eine braune Tweedjacke und ein Gehstock, mit dem er bedrohlich herumfuchtelte.
„Bunnyinvasion
hin oder her, Robert braucht seine Hilde!“, schrie der Mann den Pilzizisten an.
„Bitte
was?“
Der
Pilzizist achtete einen Moment nicht auf den Bunnykäfig in seiner Hand und
schon hüpften die Viecher wieder in der Empfangshalle herum. Einer seiner
Kollegen nahm stöhnend den Käfig an sich in begann damit erneut den Hasenfänger
zu spielen.
„Robert
braucht seine Hilde! Und was müssen das für schreckliche Menschen sein, wenn
sie ihm diese Inge antun!“
„Inge?
Hilde? Hören Sie, wir haben hier ein echtes…“, begann der Pilzizist.
„Wenn
Sie nicht sofort Hilde freilassen werde ich Sie wegen Verweigern der Mithilde
anzeigen und für den Rest Ihres Lebens hinter Gitter bringen!“, kreischte der
Mann.
Erst
jetzt bemerkte ich einen etwas jüngeren Mann, ebenfalls in Tweedjacke, der sich
hinter dem ungehobelten Klotz versteckte. Das musste dann wohl Robert sein. Wer
Hilde war würde ich wohl nur herausfinden, wenn wir noch länger hierblieben.
„Wie
sollten gehen“, drängte ich meine Oma, die dem Austausch ebenfalls gebannt
gelauscht hatte.
„Ja,
du hast Recht. Auch wenn es interessant wäre zu wissen wie das mit Hilde
ausgeht.“ Sie schien zu überlegen, schüttelte dann jedoch den Kopf. „Nein, das
geht jetzt wohl nicht. Gut, wir nehmen den Ausgang auf der anderen Seite.“
Sich
auf ihren geblümten Regenschirm stützend, machte sie sich auf den Weg durch die
Eingangshalle. Tatsächlich führte ein Flur geradeaus weiter und endete in einer
großen Tür. Diese war etwas weniger imposanter als die Flügeltür, durch die wir
die Pilzizei betreten hatten, doch dafür war dort bei Weitem nicht so viel los.
Auf
beiden Seiten des Ganges gingen immer wieder Türen ab. Normalerweise hätte ich
die Gunst der Stunde genutzt um zu sehen was sich dahinter befand. Alle waren
nur mit den Bunnys beschäftigt; das wäre der perfekte Moment gewesen.
Allerdings hatte ich ein wirklich ungutes Gefühl bei der Sache. Ich sollte
Recht behalten. Wir hatten gerade die Hälfte des Weges geschafft als die
Schreie am Vordereingang begannen.
„Die
Bunnys!“
„Sie
haben den Schutzwall durchbrochen!“
„Die
Pilzizisten sind alle… oh wie süß!“
Nach
dem letzten Ausruf beschleunigten wir unsere Schritte. Weitere Rufe waren zu
hören, doch sie waren weniger panisch als vorher. Das war gar nicht gut, um es
vorsichtig auszudrücken. Ich wagte es nur einen einzigen Blick über meine
Schulter zu werfen. Der Pilzizist, der bis eben noch mit dem Kotzbrocken über
Hilde diskutiert hatte, hielt ein graues Bunny im Arm, das eine Fußkette mit
sich herumschleppte und ein gestreiftes Hemd trug. Weil er so mit dem Hasen
beschäftigt war, bemerkte er nicht, dass zehn andere kurz davor waren ihm
ebenfalls auf den Arm zu springen.
Die
anderen Menschen und Pilze in der Eingangshalle hatten nicht mehr Glück. Einige
von ihnen konnte ich vor lauter Fell kaum noch erkennen.
„Das
müssen kriminelle Plotbunnys sein. Die haben ein besonderes Interesse an
Pilzizisten. Viele von ihnen können zu Krimis oder Thrillern werden, wenn man
sie schreibt.“ Oma stützte sich stärker auf ihren Regenschirm.
Ich
löste meinen Blick vom Chaos im Empfangsbereich. Solange die Bunnys abgelenkt
waren, hatten wir eine Chance unbemerkt aus dem Gebäude zu entkommen. Die Tür,
die wir versuchten zu erreichen, war nur noch wenige Meter entfernt.
„Was
passiert eigentlich mit den Leuten, die von Bunnys überrannt werden?“ Die Frage
hatte mich gequält seit ich Müllman in der Bunnymeute hatte verschwinden sehen.
„Die Bunnys… töten sie doch nicht. Oder?“
„Nein,
tun sie nicht. Immerhin wollen sie geschrieben werden“, sagte Oma. „Aber du
vergisst alles um dich herum außer den Bunnys. Bei einem geht das noch, aber
bei zwanzig von den Dingern… Du kommst zu nichts mehr. Deine Arbeit ist dir
egal, deine Familie ist dir egal, deine Freunde sind dir egal…“
„Aber
bekommt man auf die Art und Weise nicht viele Geschichten fertig?“ So schlimm
hörte sich das gar nicht an.
„Bei
ein oder zwei Bunnys vielleicht. Aber bei so vielen? Das ist so ähnlich wie mit
den P-Ps. Du fängst alles an, aber kommst zu nichts. Und letztendlich wirst du
verrückt.“
Das
hörte sich jetzt schon etwas schlimmer an. „Gibt es denn kein Mittel gegen
Plotbunnys?“
„Kein
Bekanntest, nein.“
„Aber
wie werden wir sie dann wieder los? Wenn NaNoWriMo in einem Monat beginnt…“ Die
ganze Tragweite der Situation wurde mir langsam bewusst und am liebsten wäre
ich zu Boden gesunken. Stattdessen stemmte ich die Tür nach draußen auf.
„Ja.
Wenn wir sie nicht wieder loswerden ist der NaNo ernsthaft in Gefahr. Und da es
keine Möglichkeit gibt sie loszuwerden…“
Sie
folgte mir durch die Tür nach draußen. Kurz bevor ich sie ins Schloss zog
erhaschte ich einen Blick auf ein Bunny am Ende des Flurs, das uns interessiert
nachsah.
„…wird
der NaNo dieses Jahr wohl ausfallen müssen. Das einzige was wir versuchen
können, ist die Bunnys in dieser Region festzuhalten, damit sie sich nicht über
das ganze NaNo-Land ausbreiten.“
„Wie
soll das denn gehen? So viele sind das nun auch wieder nicht. Zwar genug für
eine Stadt, aber für ein ganzes Land?“
Ich
half meiner Oma die Stufen hinunter. Auf dieser Seite des Gebäudes gab es keine
Suchschweinwerfer und keine Pilzizisten. Allerdings konnte ich auch keine
Plotbunnys sehen. Was mir außerdem auffiel war, dass die Sirene aufgehört
hatte. Das rote Licht flammte immer noch alle paar Sekunden auf, doch die
ohrenbetäubende Sirene war abgeschaltet. Vermutlich war einer der bunnybesessenen
Pilzizisten im Gebäude an einen Schalter gekommen.
„Erinnerst
du dich nicht was ich dir heute Morgen über Plotbunnys erzählt habe? Sie
vermehren sich wie die Karnickel.“
Auf
dieser Seite des Gebäudes war der Platz nicht ganz so groß. Wir hatten fast die
Häuser erreicht, als ein Schweinwerfer um das Gebäude geflogen kam und ein
einsames Bunny beleuchtete, das um das Pilzizei-Gebäude gehoppelt kam. Ihm
folgten einige andere. Dann weitere. Erst zögerlich, dann immer schneller,
begann sich die Horde in unsere Richtung zu bewegen.
NOOOOOOIIIIIIIN!!!! Rettet NaNo! :D
AntwortenLöschenNa ja, und wenn Robert dann noch seine Hilde bekommt, ist ja alles in Butter... =)
Aber ich hoffe doch mal sehr, dass Oma und Mia schnell genug laufen können...
Verweigerung der Mithilde! *kreischend vor Lachen am Boden liegt* Ich liebe es!
AntwortenLöschenEntschuldige das ich schon wieder den Kritiker spiele aber müsste es nicht auch wieder Pilzizei heißen?
AntwortenLöschen(Zitat) „Oh der? Das ist der Polizeiautor, der Leiter der Polizei. Aber wie man die Schulterdinger nennt weiß ich leider auch nicht.“
Der NaNo in Gefahr? Das geht ja mal gar nicht!
Nee, mach ruhig. In dem Fall stimmt das aber schon, denn der Fehler war Polizeiauto zu Polizeiautor. Da ich die so übernehme, ist er eben die Ausnahme hier. ^^
LöschenOkay... Ach so, das hab ich nicht überzogen.
LöschenIch frage mich ja, was ein Polizeiautor so macht... Schreibt er Krimis und Thriller aus den sorgfältig separierten Plotbunnys?
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