Mit
quatschenden Reifen kam der Wagen vor unserer Haustür zum Stehen.
„Sag
mal, bist du etwa durch Bunnyköttel gefahren? Von deiner Seite her stinkt es
ganz fürchterlich“, beschwerte sich das rechte Vorderrad.
Bevor
wir die Erwiderung des linken Vorderrades oder gar der hinteren Räder hören
konnten, stiegen zuerst mehrere Bodyguards und dann ein schick gekleideter Mann
aus. Er war recht groß und schlank, trug einen schwarzen Anzug, einen Bowler
und eine rote Fliege. Den Bowler lüpfte er als er meine Großmutter zu Gesicht
bekam und brachte damit schwarzes, mit grauen Strähnen durchzogenes Haar zum
Vorschein.
„Guten
Tag, die Damen.“
„Guten
Tag, Mr. Ian Woon. Es ist mir eine Ehre, wie immer.“
Meine
Großmutter machte tatsächlich einen kleinen Knicks und lüpfte ebenfalls ihren
lila Samthut. Dann sah sie erwartungsvoll mich an.
„Gleichfalls,
nehme ich an.“ Auf den Knicks verzichtete ich allerdings.
Die
Bodyguards waren gerade damit beschäftigt einige Plotbunnys abzuwehren, die
versuchten sich um uns zu scharen. Das war der Grund weshalb Mr. Woon –
Entschuldigung, Mr. Ian Woon, den man
anscheinend bei ganzem Namen nennen musste – uns von seinem Wagen abholen ließ.
Die
ganze Nacht hatten meine Oma und ich zusammengesessen und die Bunnys vor dem
Fenster beobachtet. Irgendwann hatten sie es aufgegeben zu versuchen durch
unsere Tür zu kommen. Das Laserbunny war glücklicherweise nicht aufgetaucht.
Die meisten Hasen hatten sich dann zerstreut, doch ein paar dickköpfige Bunnys
hatten die ganze Nacht vor unserem Haus gewartet.
Ich
war irgendwann vor Erschöpfung eingeschlafen und durch das Klingeln eines
Handys aufgewacht. Es war Mr. Ian Woon, der meine Großmutter wie erwartet
gefragt hatte, ob sie ihm helfen würde. Und natürlich hatte sie ja gesagt. Da
ich mich geweigert hatte alleine zurückzubleiben während sie auf eine Konferenz
oder sowas ging, war ich notgedrungen mitgekommen.
Besagte
Konferenz schien eine große Sache zu sein. Kurz hatte ich überlegt, ob ich mein
Áo dài anziehen sollte; dazu hatte ich so selten Anlass und meistens wurde ich
dann blöd angeschaut. Allerdings hatte ich mich letztendlich dagegen
entschieden. Ich wollte nicht mal mit, sondern tat das nur, weil meine Oma sich
nicht überzeugen ließ die Bunnys Bunnys sein zu lassen und lieber das Haus zu
sichern.
Wir
schlüpften nacheinander ins Auto, ich in dem Outfit, das ich auch gestern
getragen hatte, meine Oma in einer besonders schicken lila Bluse und weiten
helllila Hosen, während die Bodyguards die Bunnys so weit zurücktrieben, dass
man die Autotüren schließen konnte. Dann gab der Fahrer Gas und versuchte noch
so viele Bunnys wie möglich zu überfahren. Das Auto holperte ein paar Mal, doch
als ich in den Rückspiegel blickte, hoppelten die Bunnys munter weiter. Einige hatten
ein paar Schürfwunden oder Ähnliches, aber behindern tat es sie gar nicht.
Trotzdem
bat ich den Fahrer den Bunnys lieber auszuweichen, angeblich weil mir durch das
Holpern schlecht wurde. Die taten mir halt leid. Schlecht wurde mir dann
allerdings eher davon, dass der Fahrer tausend Kurven fuhr, um den wandelnden
Fellknäulen auszuweichen.
Es
waren kaum Menschen auf der Straße. Einige hatten sich mit Golfschlägern oder
anderen harten Gegenständen bewaffnet (ich sah an einer Ecke wie ein Mann mit
einem Handstaubsauger um sich fuchtelte, dann fuhren wir vorbei), um Bunnys aus
dem Weg zu bekommen. Andere saßen einfach nur da und hielten freudestrahlend
mehrere Plotbunnys im Arm. Sie waren es, bei denen es mir wirklich kalt den
Rücken herunterlief.
„Wohin
geht es eigentlich?“ Nicht dass es mich wirklich interessieren würde, aber
vielleicht konnte man damit meinen Magen ablenken. Der war nämlich kurz davor
sich zu Wort zu melden. Und es würde keine besonders artikulierte Unterhaltung
werden.
„Ins
Gemeindehau“, sagte Mr. Ian Woon und deutete auf das große Gebäude, das vor uns
aufgetaucht war.
„Soll
ich mir darunter eine öffentliche Einrichtung zur Anwendung von Gewalt
vorstellen?“, fragte ich, mehr genervt als verwirrt.
„Sowas
in der Richtung“, meinte meine Oma grinsend. „Dort finden die Ratstreffen statt
wenn sie in Schreibstadt tagen. Dazu kommen Ratsmitglieder aus allen
NaNo-Regionen zusammen.“
„Das
hier ist eindeutig eine Situation, die solch ein Treffen nötig macht.“
Was
das mit einer Schlägerei zu tun hatte war mir noch nicht ganz klar, aber ich
wollte den beiden nicht zeigen, dass ich neugierig darauf war.
Mr.
Ian Woon deutete auf hunderte Bunnys, die sich auf dem Platz vor dem Gebäude
versammelte hatten. Zurückgehalten wurden sie von einer Art Mauer aus
Sandsäcken, die von mehreren Pilzizisten immer wieder erneuert wurde wenn die
Bunnys sie an einer Stelle durchbrachen. Das Auto hielt vor einem Eisentor,
durch das mehrere Pilzizisten nach draußen kamen, um die Bunnys in Schach zu
halten während die Insassen des Autos ausstiegen. Sobald wir durch das Tor
getreten waren, wurde es hinter uns wieder verschlossen.
„Seid
ihr auf eine Bunnyinvasion vorbereitet oder warum wisst ihr genau was zu tun
ist?“ Ich sah zurück auf die Leute, die Sandsäcke schleppten. Erst jetzt fiel
mir auf, dass es nicht nur Pilzizisten waren, sondern auch viele Bürger, die
wohl einen Beitrag leisten wollten.
„Es
war immer eine Möglichkeit, ja. Allerdings ist zumindest in unseren
Aufzeichnungen nichts darüber zu finden, dass es einen Plotbunnyausbruch in
dieser Größe jemals zuvor gab. Einzelne Dörfer, ja. Aber eine ganze Stadt…
niemals.“
Da
war etwas in seinem Unterton, das mich stutzen ließ. Es war nicht mehr nur die
ganze Stadt. Die Bunnys hatten sich weiter verbreitet! Vielleicht war es doch
nötig, dass meine Oma half. Bei was auch immer das sein mochte.
Das
Gemeindehau sah der Pilzizeistation recht ähnlich. Dieselben Säulen vor dem
Eingang, etwa dieselbe Größe. Nur die Banner waren andere. Hier war das Wappen
des NaNo-Landes zu sehen, ein blaues Schild, das einen Wikingerhelm trug, mit
einer Tasse Kaffee, einem Laptop, zwei sich überkreuzenden Stiften und einem
Berg Papier. Daneben war das, was vermutlich das Wappen von Schreibstadt war.
Eine Feder, die irgendein Motto schrieb.
„Hier.“
Mr. Ian Woon hielt etwas hoch. „Die besten Plätzchen! Immerhin müsst ihr in den
VIP-Bereich kommen.“
„Essbare
Tickets“, erklärte Oma als ich eins der Plätzchen nahm.
Es
war ein Lebkuchen mit Zuckergussschrift, so ähnlich wie die Herzen, die man
immer auf Jahrmärkten fand. Es gab sogar ein Band, das durch ein Loch an der
oberen Seite gezogen war.
„Iss
es ja nicht bevor wir auf unseren Plätzen sitzen“, ermahnte sie mich.
Schade.
Das Plätzchen roch nämlich echt gut.
Eine
ganze Ansammlung von Menschen hatte sich vor dem Gebäude zusammengefunden.
Viele davon machten Pause vom Sandsackschleppen, andere beobachteten das
Treiben ohne zu helfen. Außerdem waren
dort mehrere Reporter, die sich sofort auf uns stürzten als wir näher kamen – oder
eher auf Mr. Ian Woon.
„Mr. Ian Woon! Mr. Ian Woon! Was
gedenkt die Region Deutschland gegen die Plotbunnyplage zu unternehmen? Ist es
wahr, dass sich die Invasion schon weiter ausgebreitet hat als Schreibstadt?“
„Kein
Kommentar“, erwiderte Mr. Ian Woon nur und schob sich langsam durch die Menge
der Reporter.
Die
wiederum verloren vier Worte über die ganze Sache. „Das war kein Kommentar.“
„Die
kommen bestimmt aus Österreich“, meinte Oma.
„Warum
denkst du das?“
„Das
mit den vier Worten ist sowas wie ein Running Gag. Die sind angeblich sehr
wortkarg da drüben. Nicht gerade praktisch beim NaNo.“ Sie zeigte einem Mann
ihr Plätzchen vor.
Ich
tat es ihr nach und wir kamen endlich aus der Masse an Reportern vorbei. Um die
Treppenstufen des Gebäudes herum hatte man mehrere Wachmänner aufgestellt,
dieses Mal nicht um Bunnys fernzuhalten, sondern um die Reporter oder andere
nicht eingeladene Menschen davon abzuhalten das Gebäude zu betreten.
„Was
die mit den Bunnys haben…“, murmelte Mr. Ian Woon. „Erst einmal denke ich an
die Plotiker da drinnen, die darüber beraten. Wir müssen uns beeilen.“
Die
Plotiker waren dann wohl die Ratsmitglieder. Ich war also doch lernfähig!
Meinen kurzen Triumph über die seltsame NaNo-Welt konnte ich allerdings nur
kurz auskosten, denn dann sah ich wer oder was den Eingang zum Gebäude
bewachte.
„Was
ist das?“
„Das
sind brükratische Volltrollen.“
„Was?“
„Trolle.
Volltrollen. Und zwar brükratische. Die sind als letzte Abwehrmaßnahme gegen
Bunnys gedacht, die durchkommen. Oder neugierige Reporter“, erklärte Mr. Ian
Woon. „Und die Ratsmitglieder denken sie könnten was gegen die Bunnys
ausrichten. In der Hinsicht sind die selbst Volltrollen.“
Im
Gebäude führte Mr. Ian Woon uns in den größten Versammlungssaal. Er war rund
und aufgebaut wie ein altes Amphitheater und am Eingang wurden erneut unsere
Plätzchen kontrolliert. Langsam begannen die echt unwiderstehlich zu riechen.
Zwei
Männer kamen an uns vorbei, die mit einem irischen Akzent sprachen. Die Iren
verirten sich zwischen den Sitzreihen und ich verlor sie aus den Augen. Es
waren also auch Leute aus anderen Regionen da. Anscheinend hatten alle Angst,
dass die Bunnyplage um sich griff.
„Ach,
im Rat sind doch alle Mitglieder vergammelt“, beschwerte sich eine Frau, die
nun auf der anderen Seite an ihnen vorbeiging. Der Mann, mit dem sie redete,
nickte nur. „Die können eh nichts gegen die Viecher ausrichten.“
Damit
ließen wir den Bereich hinter uns, der auch von Gästen besucht werden konnte.
Die nächsten Kontrolleure sahen genauer auf unsere Plätzchen, obwohl Mr. Ian
Woon ohne Kontrolle durchgewinkt wurde.
„Wer
genau ist der eigentlich?“, flüsterte ich Oma zu. Das hatte ich die ganze Zeit
schon fragen wollen, aber nachts war ich leider eingeschlafen und danach war es
mir unhöflich erschienen ihn selbst zu fragen.
„Na
er ist der König des NaNo-Landes! Er ist mehr zu repräsentativen Zwecken da,
aber immer noch eine hohe Persönlichkeit“, sagte sie.
Der
Raum, in dem wir uns jetzt befanden, war von verschiedenen politischen Parteien
in Beschlag genommen worden. Unter einem Banner, auf dem „PDN – Partei der
Novemberschreiber“ stand, diskutierten einigen Mitglieder gerade über
Bunny-Rechte.
„Außerdem
ist sein Name ein Anagramm von NaNoWriMo“, fuhr Oma fort. „Deshalb wird er oft
von Wrimos aus allen Regionen in ihre NaNo-Novels eingebaut, sozusagen als
kleiner Scherz.“
Das
erklärte dann auch warum jeder darauf bestand ihn bei seinem vollen Namen zu
nennen. Wie unpraktisch.
Wir
kamen an einer anderen Partei vorbei, wo ein Mann gerade ein angebliches
Wundermittel gegen Plotbunnys anpries. „Ganz neu aus der heimlichen Produktion
in Östeterich“, erklärte er. Die anderen Parteimitglieder sahen nicht besonders
überzeugt aus.
In
einer anderen Ecke war ein seltsames Gerät aufgebaut. Darüber prangte ein
weiteres Banner, das den „Trebuchet-Club“ anpries. „Anwesend, aber nicht
stimmberechtigt“, hatte jemand anderes darunter gepinselt. Eins der Mitglieder,
eine Frau in Stöckelschuhen, war gerade damit beschäftigt auf einer Leiter
herumzuklettern und zu versuchen den Schriftzug vom Banner zu tilgen.
„Excuse
me, miss. Only ceremonial diggers are allowed….“, begann ein Wachmann vor einer
neuen Tür durch die Mr. Ian Woon gerade verschwunden war.
„Wir
sind von hier“, sagte Oma geduldig. „Und wir werden erwartet.“
„Oh.
Na dann“, meinte der Wachmann und trat zur Seite, nachdem er einen Blick auf
unsere Plätzchen geworfen hatte.
Die Iren verirten sich *lachflash* Herrlich!
AntwortenLöschenDie brükratischen Volltrollen vergammeln im Gemeindehau <.< Selten so gelacht XD
AntwortenLöschenDas war das bisher lustigste Kapitel. So viele göttliche Fehler, die du da gut verbaut hast :D.
AntwortenLöschenDie vergammelnden Trolle :D.
Die heimliche Produktion :D.
Ich krieg mich nicht mehr ein :D