Das,
was ich einfach mal als Allerheiligstes des Versammlungsraumes bezeichnete, war
schon deutlich kleiner als die Hallen davor. Es handelte sich um mehrere Reihen
des Amphitheaters von denen aus man den Rest überblicken konnte. Während es in
den anderen Bereichen nur blaue Polster auf den Stühlen gab, die aussahen als
wären sie aus Plastik, gab es hier rote Polster. Samt, wenn ich mich nicht
irrte. Mr. Ian Woon saß sogar auf einem thronähnlichen Stuhl in der Mitte des
Raumes, der zwei Armlehnen hatte und eine Rückenlehne, die fast doppelt so hoch
war wie Mr. Ian Woon selbst.
Meine
Oma zog mich an die Seite, wo hinter einer Absperrung aus rotem Samtband ein
paar VIP-Stühle standen. Wir ließen uns auf zweien davon nieder und
beobachteten von dort das Vorgehen des Raumes. Hinter uns auf weiteren
VIP-Stühlen saßen zwei andere Personen, doch im Vergleich zum Rest der Leute
hier sahen sie so normal aus, dass ich ihnen keinen zweiten Blick schenken
konnte.
Alle
Ratsmitglieder trugen seltsame Hüte und einer übertrug den anderen um Längen in
Abstrusität. Den Seltsamsten hatte wohl Mr. Ian Woon, dessen Hut ein hässliches
Monster aus blauem Brokat war, der in der Mitte von einer kronenförmigen
Manschette umgeben war. Am Rand baumelten mehrere Sterne und Monde. Ich musste
unweigerlich kichern.
Platz
zwei des schrecklichsten Huts aller Zeiten belegte der Hut eines Mannes, der
breit gebaut war und rechts von Mr. Ian Woon saß. Sein Hut sah aus als hätte er
sich eine Schultüte verkehrt herum auf den Kopf gesetzt. Der Hut war kitschig
pink und einige Einhörner galoppierten um seinen Rand. Was die Sache dann fast
wieder interessant machte war die Tatsache, dass sich die Einhörner bewegten.
„Das
ist der Bügelmeister von Schreibstadt“, sagte Oma, die meinem Blick gefolgt
war. „Es wird gemunkelt, dass der Hut magisch ist und ihm bei seinen Reden
immer alles zuflüstert was er sagen muss.“
Der
Bügelmeister stand gerade auf, doch weil sein Stuhl höher stand als der aller
anderen außer Mr. Ian Woons, stolperte er eine Stufe hinunter und verlor seinen
Hut. Dieser landete eine Reihe vorher auf dem Schoß eines Ratsmitglieds. Der
gab ihm seinen Besitzer zurück, indem er darauf wartete, dass der Bügelmeister
sich durch die ganze Reihe gekämpft hatte, um an seinen Hut zu kommen.
„Hut,
dann lass uns beginnen!“, sagte der Bügelmeister.
„Der
spricht mit seinem Hut?“, flüsterte ich meiner Oma zu.
Die
bedeutete mir nur still zu sein. Der Bügelmeister zog eine lange Liste aus der
Tasche und begann die Namen darauf vorzulesen. Es begann mit Mr. Ian Woon, dann
ging es durch die einzelnen Regionen des NaNo-Landes. Alle Ratsmitglieder, die
anwesend waren, hoben die Hand.
„Ratsmitglied
Tim für die Calgary-Region.“ Ein Mann in der zweiten Reihe hob die Hand.
„Tim
wird öfter mal in NaNo-Romane eingebaut“, erklärte meine Oma. „Weil in einem
Jahr alle, die das gemacht haben, die 50000 Wörter erreicht haben.“
„Wer
ist das da?“, fragte ich und deutete auf eine Frau. Sie war dünn, geradezu
ausgemerkelt.
„Die
repräsentiert die Region Deutschland. Unsere Region.“
„Ratsmietglied
Allison Cockwood-Walters“, las der Bügelmeister gerade vor.
Der
ganze Saal prustete los.
„Department
of Redundancy Department, we have an emergency!”, schrie plötzlich eine Stimme
und zwei Pilzizisten schlängelten sich um um die Stühle, auf denen die
Ratsmitglieder Platz genommen hatten. Diese sahen sahen sich verwirrt an.
„Es
wurde gemeldet, dass es hier eine ganze Person doppelt gibt!“ Sie entdeckten
zwei scheinbar identische Männer, die die auf zwei Stühlen nebeneinander saßen.
„Machen Sie den Weg frei!“
„Wir
sind Zwillinge!“, beschwerten sich die beiden beiden. „Hey, lassen Sie uns
los!“
Dann
gab es eine kurze kurze Diskussion darüber ob die Zwillinge nun Wiederholungen
waren oder nicht. Dann, nachdem die Zwillinge von Mr. Ian Woon in Schutz
genommen worden waren, zog sich das Department of Redundancy Department wieder
wieder zurück. Dann ging der Bügelmeister sichtlich verstört zum weiteren Vorlesen
der Liste über.
Ich
hatte das Ganze interessiert beobachtet, doch die gelangweilten Mienen der
anderen Anwesenden legten nahe, dass es hier immer so zu ging.
Nachdem
die Liste endlich abgearbeitet war, fand ich schnell heraus, dass das schon der
spannendste Teil des Treffens gewesen war. Die Argumente für und gegen die
Hilfe bei der Bunnyinvasion flogen durch den Raum. Es wurde außerdem die Frage
„wenn helfen, dann wie?“ breitgetreten wie ein Kaugummi auf dem Bürgersteig.
Und niemand kam zu irgendetwas. Irgendwann artete das Ganze aus und ich fand
endlich heraus warum das Gebäude Gemeindehau genannt wurde.
Die
Ratsmitglieder betraten sich eingehend.
„Wir
müssen diese Bunnyplage loswerden!“
„NaNo
ist in Gefahr!“
„Aber
sie sind soooo süß – Au!“, woraufhin das Ratsmitglied dem anderen ebenfalls
eine Ohrfeige mit seinem schrecklichen Hut verpasste. Das erklärte dann auch
die ganzen Hüte.
Das
war ja wie im Kindergarten hier! Und so sollte die Bunnyinvasion angegangen
werden? Wenn das so weiter ging, würde der NaNoWriMo dieses Jahr wirklich nicht
stattfinden.
Mr.
Ian Woon schien das ähnlich zu sehen, denn mitten in der Diskussion stand er
auf und winkte uns ihm zu folgen. Die anderen Ratsmitglieder, die sich gerade
sprichwörtlich in den Haaren lagen, bemerkten das nicht einmal sondern
prügelten sich munter weiter. Zu meiner Verwunderung standen nicht nur meine
Oma und ich auf, sondern auch die zwei VIPs, die hinter uns gesessen hatten.
Der
Raum nebenan war wesentlich kleiner als die VIP-Loge, dafür aber ruhig. Er
musste schallgedämpft sein, denn das Gezeter aus dem Nebenraum, das erstaunlich
laut gewesen war, war hier nur noch zu erahnen. Auch hier standen ein paar der
roten Polsterstühle und nachdem Mr. Ian Woon einen Lichtschalter betätigt
hatte, sah der Raum sogar ganz nett aus. Ein bisschen erinnerte er mich an
einen winzigen Kinosaal.
„Ihr
seht warum die Plotbunnyinvasion auf diese Art und Weise nicht beendet werden
kann?“, fragte Mr. Ian Woon.
Eine
Antwort war nicht nötig. Ein besonders lauter Schrei aus dem Nebenraum, der
sogar bis hierher vordrang, sagte alles was es zu dem Thema zu sagen gab.
„Deshalb
habe ich euch hier versammelt. Ihr alle habt mir schon einmal bei schwierigen
Aufgaben geholfen. Vielleicht nicht bei Problemen dieser Größenordnung, aber
deshalb werdet ihr ja zu dritt sein.“
„Zu
viert“, unterbrach ich ihn.
Die
anderen sahen mich verwirrt an.
„Ihr
glaubt doch nicht im Ernst ich lasse meine Großmutter alleine gegen diese
Plotbunnys ins Feld ziehen! Das könnt ihr vergessen.“
„Das
ist dein erster NaNoWriMo?“, wollte Mr. Ian Woon wissen.
„Ja.“
„Dann
ist es vielleicht keine so gute Idee. Ich habe diese drei auch ausgewählt, weil
sie schon Erfahrung damit haben beim NaNo mitzumachen. BlueSkies hier zum
Beispiel“ er deutete auf einen Jungen in zerrissenen Jeans mit funkelblauen
Haaren und Augen „ist ein Overachiever. Er schreibt immer wesentlich mehr als
50000 Wörter, also wird es für ihn kein Problem sein das Ziel zu erreichen,
auch wenn er dieses Jahr nichts planen kann.“
Der
Junge knabberte unbeeindruckt an seinem Plätzchen herum, von dem nur noch ein
fingerbreites Stück übrig war.
„Das
hier ist Phoenixfeder. Sie ist ein ML, ein Municipal Liason, und das schon seit
drei Jahren. Sie kann mit sowas umgehen.“
Die
recht kleine Frau mit der robusten Statur und den kurzen braunen Haaren
lächelte. „Danke für das Kompliment. Auch wenn ich in den Jahren, wo ich beim
NaNo mitgemacht habe, nicht unbedingt immer gewonnen habe“, meinte sie. „Da
schadet ein Jahr mehr oder weniger dann auch nicht mehr.“
„Und
deine Großmutter ist die beste Planerin, die ich kenne. Sie schreibt den
zweiten Band einer Geschichte und muss deshalb nicht so viel vorplanen, weil
alles schon steht. Sie kann es sich also auch erlauben auf die Suche nach einem
Mittel gegen die Bunnys zu gehen.“
„Das
ist mir egal. Ich gehe trotzdem mit. Ich schaffe das irgendwie. Und wenn wir
die Bunnys nicht loswerden, fällt der NaNo sowieso aus, habe ich Recht?“ Einen
Plot hatte ich ja eh noch nicht, also würde sich für mich nicht viel verändern.
„Naja,
sie hat schon irgendwie Recht“, meldete sich BlueSkies zu Wort. „Sie kann doch
genauso gut mitkommen. Einer mehr kann nicht schaden.“
Mr.
Ian Woon seufzte und strich sich einige der Monde und Sterne aus der Stirn.
„Wenn deine Großmutter nichts dagegen hat, meinetwegen.“
„Naja,
so kann ich wenigstens ein Auge auf sie haben“, sagte meine Oma.
„Dann
wäre das also beschlossene Sache.“ Mr. Ian Woon sah nicht begeistert aus,
entschied sich dann aber fortzufahren, denn er zog einen Beutel zu sich heran.
„Damit eure Aufgabe etwas einfach wird, habe ich ein paar Gegenstände, die euch
helfen könnten.“
Zuerst
zog er eine Katze aus der Tasche. Alles Fell war ihr scheinbar abrasiert worden
und sie war von oben bis unten mit Edding beschrieben worden. Das Tier wand
sich und kratzte, doch nachdem Mr. Ian Woon es einmal am Ohr gezogen hatte,
verwandelte es sich in eine Karte.
„Hier
ist eine faltbare Katze des NaNo-Landes, damit ihr euch nicht verirrt. Es kann
sein, dass ihr in sehr abgelegene Gegenden kommt.“
„Entschuldigung“,
unterbrach ich ihn. „Aber warum ist das eine Katze?“
„Falls
ihr sie verliert kommt sie zu euch zurück natürlich!“, sagte er.
Natürlich.
Wieso war ich nicht gleich darauf gekommen! Eine faltbare Katze also. Nun gut,
wenn er meinte die würde hilfreich sein…
„Das
nächste ist dieses hier.“
Mr.
Ian Woon zog drei große, dünne Spinnen aus dem Beutel. Instinktiv wich ich
einen Schritt zurück. Warum mussten es ausgerechnet Spinnen sein?
„Das
sind Gedankenspinnen“, sagte Mr. Ian Woon, mein Unbehagen entweder nicht
bemerkend oder ignorierend. „Wenn ihr euch eine Zeit lang voneinander entfernen
müsst, könnt ihr über diese Spinnen miteinander – oder auch mit mir –
kommunizieren. Eine von ihnen behalte nämlich ich. Diese Methode ist notwendig,
weil es nicht in allen Regionen des NaNo-Landes Handyempfang gibt.“
Das
wiederum leuchtete mir ein. Aber warum mussten es ausgerechnet Spinnen sein?!
„Ich
habe zwei Zimmer für euch in der Drachenschenke reserviert. Ihr habt
VIP-Vortritt für den gesunden Menschenversand. Von dort aus müsst ihr selbst
einen Weg finden.“
Alle
nickten. Nur mir wurde langsam mulmig. Vielleicht war es doch keine so gute
Idee gewesen darauf zu bestehen mitzukommen. Immerhin kannte ich dieses
seltsame Land noch gar nicht. Und jetzt hatte ich gleich vor es zu retten!
„Wenn
es keine Fragen mehr gibt…“
Ich
hätte da noch eine ganze Menge. Was war die Drachenschenke? Wie genau
funktionierte so eine Spinne? Was zum Teufel war ein gesunder Menschenversand? Und,
ganz wichtig, wo sollten wir bloß anfangen nach der Lösung des Problems zu
suchen?
„Dann
wünsche ich euch alles Gute! Setzt Hummel und Erde in Bewegung, um NaNoWriMo zu
retten!“
Okay,
da war dann schon die nächste Frage. Das würde nie im Leben gut gehen.
Au ja, dann gehts ja jetzt endlich auf große Fahrt! =)
AntwortenLöschenTut mir Leid, dass ich immer nur so wenig schreibe, aber ich will mich nicht ständig wiederholen. Dass der ganze Roman bisher echt super und auch witzig ohne Ende ist, ist dir ja wohl hoffentlich klar! :D
Kein Thema. Ich freue mich, dass ich dann immer ganz viele Kommentare finde wenn du dich auf den neusten Stand gebracht hast.
LöschenManchmal ist mir das nicht klar. NaNo-Krankheit, du weißt schon. Alles was man geschrieben hat erscheint einem plötzlich total bescheuert. Da helfen solche Kommentare wie deiner schon, um mich am Ball zu halten (vor allem, weil ich bisher noch nie etwas einer so großen Masse von Menschen zugänglich gemacht habe wie hier. Und dann ist es noch so schnell geschrieben...).
Ich kann Betty nur zustimmen... das ist grandios. Lustig wie interessant geschrieben ^^ Und gerade für einen NaNoisten unglaublich unterhaltsam <.< Zu Lachen hat man hier immer was XD
AntwortenLöschenDanke. :)
LöschenIch hoffe mal in 30 Kapiteln findest du es immer noch gut. Das wäre natürlich das Beste. ^^
Ich hab mir jetzt vorgenommen jeden Tag zwei Kapitel zu lesen damit ich genau dann am Ende bin wenn du das letzte Kapitel hochlädst ^^ Und bisher muss ich mich zurückhalten weiterzulesen weil ich es so spannend finde XD Ich lass mich überraschen <.<
LöschenBekannte Namen aus dem Forum, die hier mit reingeschrieben wurden! :D *begeistert ist*
AntwortenLöschenUnd ein paar besonders schöne Fehler hast du da eingebaut mit dem Gemeindehau, mit dem treten der Ratsmitglieder und mit der faltbaren Katze :D. Göttlich :D