Am
nächsten Morgen mussten meine Gefährten einen Mord verhindern. Als ich
aufgewacht war, war die TSoD weg gewesen. Sobald Blue während des Frühstücks
durch die Tür gekommen war, die Schaufel in der Hand, hatte ich gewusst was er
getan hatte.
„Du
hast probiert ob es bei Plotbunnys funktioniert…“, flüsterte ich entsetzt.
Er
zuckte mit den Schultern – da hatte ich mich auch schon auf ihn gestürzt. Seine
Kraftpillen hatte er anscheinend wieder nicht genommen, denn es war ein
Leichtes ihn zu Boden zu werfen und auf ihn einzuprügeln.
„Du
hast es an armen Plotbunnys ausprobiert?!“, kreischte ich.
„Au…
Au! Mia, au!“, rief er.
Ich
hörte nicht auf ihn zu bearbeiten. Da er in den letzten Tagen erst von einer
Trachtenkämpferin verprügelt worden war, musste ihm sowieso alles weh tun. Ich
hieb noch fester auf ihn ein.
„Mia,
pass auf! Du verletzt das Bunny!“, rief er.
Wie
vor den Kopf gestoßen hielt ich inne. Erst jetzt sah ich weshalb er die Arme
nicht hochgenommen hatte, um sich zu verteidigen, sondern versucht hatte mich
von der Robbe fernzuhalten. Aus seiner Robbentasche lugte ein rot-orangenes
Plotbunny mit gelben Augen, deren Pupillen Schlitze waren. Eines seiner Ohren
stand auf, eins hing herab und es sah mich mit riesigen Augen an.
„Gah.“
Ich sprang ein Stück zurück. Ein Plotbunny reichte vollkommen. Mit Fluffles
würde ich im NaNo ausgelastet sein.
„Ich
habe den Kerl hier im Wald gefunden“, erklärte Blue. „Und… naja, ich habe die
Schaufel an ihm ausprobiert. Es hat nicht funktioniert“, beeilte er sich zu
sagen als er meinen Blick sah. „Aber er wurde ein wenig verletzt. Da konnte ich
ihn doch nicht dalassen!“
Wow.
Blue war lernfähig. Vor nicht einmal einer Woche hätte er das Bunny liegen
lassen, in der Hoffnung, dass es von alleine sterben würde. Jetzt nahm er es
mit, weil er anscheinend ein schlechtes Gewissen hatte. Vielleicht hatte ich
doch einen guten Einfluss auf ihn. Andererseits schien auch er einen Einfluss
auf mich zu haben, wenn auch einen Schlechten. Ansonsten konnte ich mir nicht
erklären warum ich plötzlich so kampfwütig war.
„Lasst
mich mal sehen“, meinte Estelle.
Blue
übergab ihr das Bunny. Es war wesentlich größer als Fluffles, sodass man es
nicht in der Hand, sondern auf dem Arm tragen konnte. Außerdem sah ich nun, da
es die Tasche verlassen hatte, dass ihm lederartige Flügle aus dem Rücken
sprossen. Sobald Estelle es an der Seite berührte, zuckte es zusammen.
„Was
hast du mit dem armen Bunny angestellt?“, fragte sie mit einem finsteren Blick.
Meine
Rede. Sie schloss kurz die Augen und als sie das Bunny das nächste Mal an der
Seite berührte, schien es das nicht mehr zu spüren. Trotzdem tat es mir leid.
Mit der TSoD geschlagen zu werden war bestimmt nicht angenehm.
„Also,
unser Plan funktioniert nicht“, fasste Blue die Situation zusammen und nahm
sein Bunny entgegen. „Selbst wenn man die Bunnys damit loswerden könnte…“ Er
verstummte kurz, um den Hasen auf seinem Arm zwischen den Ohren zu kraulen.
„…ich glaube nicht, dass ich die einfach umbringen könnte.“
Das
hatte aber gedauert. Da musste ihm erst ein Drachenplotbunny – so sah es
zumindest aus – über den Weg laufen bevor er vernünftig wurde. Meine Oma sah
ebenfalls beinahe erleichtert aus. Allerdings runzelte sie auch die Stirn.
„Was
machen wir denn jetzt?“, meinte sie.
„Schaut
mich nicht so an.“ Estelle hob abwehrend die Hände. „Ich muss mich erstmal
ausruhen nachdem ich euch allen die Zukunft gelesen habe.“
Als
hätte das so viel gebracht. Obwohl… beschweren konnte ich mich nicht. Wir
hatten die TSoD schließlich gefunden, auch wenn sie uns nichts brachte. Sie
hatte uns außerdem noch einmal bei sich übernachten lassen und uns ihren
Besenschrank als Gefängniszelle für Burns zur Verfügung gestellt.
Kurz
danach mussten wir weiter. Je schneller wir bei der Drachenschenke ankamen,
desto schneller würden wir unseren Gefangenen loswerden. Zudem mussten wir Mr.
Ian Woon von unserem Scheitern berichten. Vielleicht war der NaNo-Rat
mittlerweile zu einer Entscheidung gekommen, mit der man etwas anfangen konnte.
Ansonsten sah es aus als würde der NaNoWriMo dieses Jahr ausfallen müssen.
Zwar
würden keine Plotbunnys sterben müssen, aber dafür würden sie jahrelang die
Wrimos belagern. Das war kein Sieg. Und damit war unsere Mission gescheitert.
Die Stimmung auf dem Rest des Weges war dementsprechend übel. Der Wortsalat,
den ich Fluffles vorsetzte, war so schlecht, dass es ihn fast nicht essen
mochte. Hannes versuchte die Gruppe aufzumuntern, aber nichts half. Sogar
Freundschaf trottete nur mit hängendem Kopf hinter uns her und versuchte nicht
einmal Zeug vom Wegesrand zu futtern.
Wir
hatten Phoenix ganz umsonst verloren. Diese Mission war von Anfang an ein
Fehlschlag gewesen, und trotzdem hatte sie in die Hefe fallen und sterben
müssen.
Die
einzigen Höhepunkte meines Tages waren wenn ich Burns die Schaufel in den
Rücken stoßen konnte um ihn voranzutreiben. Jedes Mal bereitete es mir ein makabres
Vergnügen mir vorzustellen ihm eins mit der Schaufel überzubraten, besonders
wenn mir davor wieder Phoenix im Kopf herumgegeistert war.
Die
Drachenschenke kam in Sicht und das erste, was uns auffiel, war die neue Tür.
Das zweite, was uns auffiel, waren die Werbeplakacke, die auf einem Schild
davor aufgehängt waren. Sie priesen die goldene Kloppbürste an, die vor einigen
Tagen gefunden worden war. Irgendjemand musste von dem Vorfall gehört haben und
die Kloppbürste aus dem Arschiv geholt haben. Dabei hatten wir sie so gut
versteckt.
Blue
riss die Plakacke herunter und stopfte sie ins nächstbeste Gebüsch. „Niemand
sollte das Ding je wieder benutzen“, rechtfertigte er seine Aktion.
Wir
waren fast an der Tür angekommen, da rief diese plötzlich „Kommt rein! Bei mir
ist ein Tritt frei!“ und begann wie wahnsinnig zu lachen.
Sofort
blieben wir stehen und musterten das Teil misstrauisch. Es war nur zu gut
denkbar, dass der Wirt in seiner Verzweiflung nun nach härteren Geschützen
gegriffen hatte. Wir warteten lieber was passieren würde, denn gerade war eine
Limousine vorgefahren und hielt direkt vor der Hautür. Jemand zog eine Waffe,
um die Tür aufzuschießen – da hatte ihm das gute Stück auch schon einen rechten
Haken verpasst und war aufgeschwungen. Der Mann flog einen Meter nach hinten
und rappelte sich verdutzt auf.
Wir
trauten uns nach einigen Sekunden doch durch die Tür, die wieder begonnen hatte
zu lachen, uns jedoch ungehindert passieren ließ.
„Eine
Hautür“, erklärte der Wirt. „Endlich. Das einzige was ich gebraucht habe war
eine Tür, die sich verteidigen kann.“ Dann sah er wer gerade eingetreten war.
„Oh. Ihr seid das.“
Er
schien sich nur zu gut an unseren letzten Besuch zu erinnern, denn er
begutachtete mit wehleidigem Blick die neue Einrichtung des Schankraums. Mir
fiel ehrlich gesagt keine Veränderung auf. Außer der Hautür natürlich. Wir
ignorierten die Blicke und setzten uns stattdessen an einen freien Tisch, um
mit einer Gedankenspinne Kontakt zu Mr. Ian Woon aufzunehmen.
„Wo
ist Phoenix?“, war die erste Frage.
Da
mir ein Kloß im Hals saß und Blue plötzlich mehr Interesse an seinem Bier
zeigte als an der Gedankenspinne, erklärte meine Oma was passiert war. Sie
beschrieb gleich was wir sonst erlebt hatten und wer der Neuzugang der Gruppe
war, wobei sie Hannes vorstellte. Außerdem informierte sie Mr. Ian Woon über
unseren Fehlschlag.
Das
und Phoenix‘ Tod schienen ihn schwer zu treffen. Er beschrieb wie die
Pilzizisten die Rauchninjas festgenommen hatten, nachdem sie, zwei Tage nachdem
wir ihnen den Uhrwurm auf den Hals gehetzt hatten, vollkommen fertig in der
Drachenschenke aufgetaucht waren. Sie hatten kaum noch stehen können und die
Pilzizisten hatten sie ohne Probleme abführen können.
Allerdings
hatten sie nicht preisgegeben wer sie geschickt hatte. Da konnten wir
nachhelfen. Meine Oma spielte in Gedanken durch was mit Burns geschehen war und
bat darum, dass er ebenfalls von Pilzizisten abgeführt wurde.
„Der
Drecktor!“, meinte Mr. Ian Woon entsetzt. „Das hätte ich nicht gedacht.“
„Tja.
Sein Ziel hat er nicht erreicht, aber die Plotbunnys haben wir immer noch am
Hals. Da schwebt wohl eine Damoklesschere über unseren Köpfen“, seufzte meine
Oma.
„Eine
Schere? Nein, wir haben ein riesiges Problem! Eigentlich sogar mehrere, aber es
ist ein großes Hauptproblem, das wie ein Damoklesproblem über den anderen
Problemen baumelt, und sogar die nervös macht!", versuchte Blue sich an
einem Vergleich.
Oh
ja. Allerdings ein Problem. Unweigerlich stellte ich mir dabei vor, wie die
kleineren Probleme zusammenrückten und gemeinsam vor dem fiesen Monsterproblem
zitterten. Diese Vorstellung, so witzig sie auch im ersten Moment war, ließ
meine Laune den Tiefpunkt des Tages erreichen. Es war alles umsonst gewesen.
Das Mr. Ian Woon mitzuteilen machte es offiziell. Wir waren allen Ideen
nachgegangen wie man die Hasen loswerden konnte, aber nichts hatte
funktioniert.
Ein
Piepen aus meinem Rucksack ließ mich aufschrecken. Ich zog mich aus dem
Gespräch zurück und ließ die anderen über ihre Gedanken mit der Gedankenspinne
kommunizieren. Was hatte war jetzt schon wieder?
Die
Nadel des Zeigefinders drehte sich zuerst wie wild und leuchtete in allen
Farben, dann blieb sie stehen und deutete auf einen Punkt nicht weit von mir
entfernt. Da ich nichts eingestellt hatte, war dieses Verhalten äußerst
seltsam. Das Gespräch machte mich eh nur depressiv, also stand ich auf und
folgte dem Zeigefinder. Niemand am Tisch
bemerkte meine Abwesenheit, außer Freundschaf, das mir mit treuen Augen
hinterherschaute, sich aber nicht erhob um mir zu folgen.
Der
Zeigefinder führte mich durch den ganzen Schankraum. Vor einer Tür, durch die
ich bisher nie gegangen war, stoppte ich. Es war bestimmt nicht gern gesehen
hier herumzuschnüffeln. Außerdem wollte ich lieber nicht aus Versehen durch
eine Hautür laufen, sonst war Blue bald nicht mehr der einzige mit einem blauen
Auge. Vorsichtig drückte ich die Klinke herunter. Als nichts geschah, wagte ich
mich in den Raum.
Sofort
wurde ich an das Erlebnis mit den durchgedrehten Möbeln in der Küche des
Könlings erinnert, denn ich befand mich in einer Küche. Glücklicherweise
schienen die Möbel hier nicht tollwütig zu sein, denn sie blieben an ihren
Plätzen. Mehrere Köche eilten von einem Herd zum anderen, um die
verschiedensten Gerichte gleichzeitig auf die Beine zu stellen. Natürlich, bei
so einem großen Gasthaus war das eine Menge Arbeit. In einer Ecke wurde
außerdem gerade ein seltsames, grünes Stück Fleisch bearbeitet, das ein
Extrawunsch eines Gastes sein musste. Den wollte ich bestimmt nicht kennen
lernen.
„Was
machst du in der Küche?“, fragte mich ein besonders ungemütlich aussehender
Koch. Er baute sich vor mir auf und stemmte die Hände in die Seite.
„Äh…“
Die Nadel des Zeigefinders deutete hinter ihn. Es war nicht mehr weit. „Ich
muss nur kurz hier durch“, versuchte ich es auf die nette Art und Weise.
„Hier
ist für Gäste kein Zutritt, also verschwinde.“
Okay,
dann nicht auf die nette Weise. Ich zog die Schaufel hervor, die an meinem
Gürtel baumelte, und hielt sie ihm vor die Wampe. Zuerst sah er wenig
beeindruckt aus, doch dann weiteten sich seine Augen.
„Ganz
recht. Das ist die Traveling Shovel of Death. Und wenn du nicht sofort den Weg
freigibst, haben wir ein Problem.“
Kleinlaut
trat er zur Seite. Ich fühlte mich ein wenig mies, weil ich ihn dazu gezwungen
hatte. Immerhin tat er nur seinen Job und war bestimmt überarbeitet. Ihn mit
einer Todesschaufel zu bedrohen gehörte nicht zum feinen Benehmen.
Von
meinen Schuldgefühlen ablenken tat mich allerdings der Zeigefinder, der nun
stärker blinkte und mich möglichst schnell an einen Ort führen wollte. Ich
durchquerte die Küche bis ich in einem Nebenraum ankam. Dort saß nur eine
einzige Person und schälte Kartoffeln. Es war ein alter Mann, bei dem es mich
wunderte, dass sein langer weißer Bart ihm beim Kartoffelschälen nicht in die
Quere kam.
Als
ich eintrat, sah er auf. „Guten Tag.“
„Guten
Tag…“, erwiderte ich verwirrt. Die Nadel des Zeigefinders drehte sich wie verrückt,
was wohl bedeutete, dass ich am Ziel war. Aber wo war ich genau?
„Ähm…
mein Gerät meint, dass ich unbedingt herkommen sollte.“ Okay, das hörte sich
echt lahm an.
„Wie
interessant“, meinte der Mann und schälte weiter Kartoffeln.
„Ähm…
können Sie vielleicht helfen?“
„Das
kommt darauf an wobei“, sagte er und warf eine fertig geschälte Kartoffel in
einen Eimer zu seinen Füßen.
„Ich
bin Teil einer Gruppe, die von Mr. Ian Woon losgeschickt wurde, um ein Mittel
gegen die Plotbunnys zu finden. Bisher haben wir auf ganzer Linie versagt und
sind kurz davor aufzugeben.“ Was redete ich da eigentlich? Der würde mir auch
nicht helfen können. „Tut mir leid falls ich Sie gestört habe. Ich gehe jetzt
besser.“
„Du
hast da ein schlaues Gerät.“ Der Mann zuckte mit dem Kopf in Richtung des
Zeigefinders. „Ja, ich kann helfen. Darf ich mich vorstellen? Ich bin der Weise
in der Küche.“
Er
legte die Kartoffel, die er gerade geschält hatte, aus der Hand und hielt mir
eben diese hin. Zögernd schüttelte ich sie.
„Freut
mich.“
„Du
suchst also ein Mittel gegen Plotbunnys? Du weiß, dass sie unzerstörbar sind,
oder?“
„So
ziemlich, ja.“ Fluffles streckte in diesem Moment seinen Kopf aus meiner
Brusttasche und gähnte herzhaft. „Und sie sind nicht halb so böse wie alle sie
darstellen.“
„Nicht
nur ein schlaues Gerät, auch ein schlaues Mädchen.“
Der
Weise aus der Küche erhob sich von seinem Stuhl. Sei Rücken knackte so laut,
dass ich mich fragte wie lange er dort gesessen hatte ohne sich zu bewegen. Das
Messer, mit dem er die Kartoffeln geschält hatte, legte er ebenfalls zur Seite.
„Sollen
wir?“
„Wohin?“,
fragte ich verwirrt.
„Na
zum Rest deiner Gruppe damit ich euch ein wenig unter die Arme greifen kann.“
Die
ganze Sache kam mir mehr als seltsam vor. Andererseits hatten wir nichts mehr
zu verlieren. Also zuckte ich mit den Schultern und ging, den alten Mann im
Schlepptau, durch die Küche zurück zum Gastraum.
Blues Benehmen färbt ja wirklich ab... so eine Schaufel wäre im echten Leben aber auch wirklich gefährlich.
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