Mein
Zeigefinder gab glücklicherweise nicht den Geist auf – oder sollte ich sagen
unsere Autorin ließ ihn nicht den Geist aufgeben – sodass wir am nächsten
Morgen wie geplant weiterreisen konnten. Allerdings konnte der Wirt keinen
einzigen Toast und kein Nutella auftreiben, da alle Vorräte über Nacht auf
mysteriöse Art und Weise verschwunden waren.
Das
war dann wohl die Rache der Autorin. Deren Name war übrigens Stephanie, wie
meine Oma gestern noch aus ihr herausbekommen hatte. Ohne mein
Lieblingsfrühstück konnte ich mittlerweile gut auskommen, da wir während der
Reise auch nicht immer etwas davon gehabt hatten, und ich verlor kein Wort
darüber, obwohl meine Freunde mich aus dem Augenwinkel beobachteten. Auch sie
hatten mitbekommen was hier gespielt wurde.
„Weißt
du“, meinte meine Oma während des Frühstücks. „Irgendwie erinnert sie mich an
dich. Ihr seid beides so richtige Sturköpfe.“
Danach
ignorierte ich sie für eine Weile und sie brachte das Thema nicht mehr zur
Sprache. Also wirklich. Ich sollte wie die Autorin sein. Ein Gedanke nagte
trotzdem an meinem Verstand, denn oft hatten die Charaktere meiner Geschichten
einige meiner Eigenschaften. In einem gewissen Sinne waren sie also ich, oder
zumindest wie ich.
„Vielleicht
sollten wir uns einfach irgendwo reinschlauchen und unter die Leute mischen, um
nicht einzufallen“, meinte Blue irgendwann.
„Wie
war das? So ganz verstanden habe ich den Satz nicht“, bemerkte ich.
„Naja,
wenn wir unserer Autorin nicht einfallen, werden wir die ganzen Probleme
vielleicht los!“
Das
war eine nette Vorstellung, aber ich dachte nicht, dass das funktionieren
würde. So viel Glück hatten wir nicht. Fast war ich froh als wir uns endlich
auf den Weg machen konnten. Die Reise verlief die ersten paar Stunden recht
normal, außer dass wir immer wieder unsere Richtung korrigieren mussten, da die
Wandernde Bibliothek ihre Position leicht veränderte. Warum musste das Teil
auch wandern? Konnte es nicht einfach stillstehen? Dann gäbe es vielleicht
einen Anschluss zum gesunden Menschenversand.
Wenn
ich vorschlug den gesunden Menschenversand zu benutzen, musste ich wirklich
unter Zeitdruck sein. Je schneller wir diese Geschichte beendeten, desto eher
würden wir auch die Autorin los sein. Dann könnte ich mich endlich auf meine
Vorbereitungen für NaNoWriMo konzentrieren.
„Was
grinst du eigentlich so?“, fragte ich Hannes.
„Naja“,
meinte er. „Die Autorin hat mir gestern verraten, dass die Chance besteht, dass
ich wieder ein Mensch werde, irgendwann. Das ist besser als nichts, oder?“
Na
immerhin eine Sache bekam sie hin. „Super!“, rief ich. „Ich freu mich für dich!
:D“
„…du
sahst gerade einen Moment lang wirklich seltsam aus…“, meinte Blue. „Du hattest
keine Nase mehr und dein Mund sah ungefähr dreimal so groß aus wie er sein
sollte…“
„Wirklich?
Das habe ich gar nicht bemerkt.“ Ich runzelte die Stirn. „Autorin?!“
„Naja…
ein Smiley… ich chatte so viel… da ist es reingerutscht…“, kam die Antwort von
oben.
Das
dürfte doch wohl nicht wahr sein! Da verpasste die mir einfach ein
Smileygesicht! Trotzdem hielt ich meine Wut zurück. Wenn sie herausbekam wie
sehr mich das ärgerte würde sie es womöglich öfter machen, nur um mir auf den Geist
zu gehen.
Gegen
Mittag entschlossen wir uns kurz zu rasten. Wir waren irgendwo zwischen dem
Horrorland und Schreibstadt nahe einem Erdwall ein wenig abseits vom Weg. Auf
einer Seite fiel es steil und felsig ab. Wasser gab es keines, doch wir hatten uns
in der Drachenschenke mit Wasserfalschen versorgt, sodass wir uns darüber keine
Gedanken machen mussten. Während Oma eine Art Picknick ausbreitete, nutzten wir
die Zeit, um im nahe gelegenen Bach zu angeln.
„Moment
mal. Autorin?! Wenn wir kein Wasser haben, wo sollen wir dann angeln?“, fragte
ich verwirrt.
„Ups,
mein Fehler“, dröhnte die Stimme wieder.
Der
Bach, der sich eben noch neben uns befunden hatte, war plötzlich ein winziges
Rinnsal.
„Na
super. Warum änderst du das ausgerechnet so? Hättest du uns den Bach nicht
lassen können? Ein paar Fische wären wirklich nicht schlecht.“
„So
war’s schneller…“
„Ach
halt doch den Mund“, grummelte ich und stocherte mit einem düsteren Blick im
Rinnsal herum.
Nachdem
wir doch keine Fische hatten fangen können waren, wir alle in einer etwas
schlechteren Laune. Wenigstens war das gestohlene Essen aus der Horrorburg
mittlerweile alle, sodass ich mir wenigstens keine Gließmaden oder Hirngummi
mehr antun musste. Auch wenn die Schauermöhrchen im Nachhinein ganz niedlich gewesen
waren.
Der
Tag war für einen Oktobertag erstaunlich warm. Ich wusste nicht, ob die Autorin
uns damit einen Gefallen tun wollte, oder ob sie uns in unseren Robben
schwitzen sehen wollte. Falls es Letzteres war, dann hatte sie ihr Ziel
erreicht.
„Wah“,
beschwerte sich Blue irgendwann. „Ich bekomme kaum noch Luft.“
„Warte
mal.“ Ich knöpfte ihm vorsichtig die Robbe auf, um ihm Lust zu verschaffen. „Äh
was?!“, schrie ich. „Das war ja nun wirklich nicht meine Absicht!“
Die
Autorin stöhnte nur. „Mach doch einfach was man dir sagt.“
„Vergiss
es! Wir passen doch gar nicht zusammen!“, versuchte ich ihr klar zu machen.
„Na
gut…“ Der spöttische Unterton gefiel mir gar nicht.
Als
wir über den nächsten Hügel gekommen waren, erfuhr ich auch was sie so witzig
gefunden hatte. Unter uns in der Landschaft stand ein einsamer
Lustschutzbunker.
„Haha,
wie witzig“, grummelte ich nur.
„Da
kannst du ja Zuflucht suchen falls ich dich und Blue verkuppeln will“, kicherte
die Autorin. Mann, war die kindisch. Die war ja fast so schlimm wie Blue.
Das
musste ich sofort zurücknehmen, denn kurz nachdem wir den Lustschutzbunker
passiert hatten, standen wir vor einem dunklen Tunnel, der sehr gruselig aussah
und in den ich am liebsten nicht gehen würde. Der Zeigefinder deutete jedoch
genau auf den Eingang.
„Müssen
wir da wirklich durch?“, stöhnte ich.
„Hör
auf dich zu beschweren“, meinte die Autorin. „Bisher habt ihr auch einfach
weitergemacht wenn sowas kam.“
„Da
wusste ich auch noch nicht, dass wir eine Wahl haben“, murmelte ich.
Meine
Oma meinte nur „papperlapapp“ und ging vor. Sie hatte sich jedenfalls nicht
verändert, ob mit oder ohne Autorin. Die Hand hatte die Autorin ihr allerdings
auch nicht zurückgegeben.
Die
Reise durch den Tunnel dauerte nicht lange und bald öffnete sich der Gang in
eine riesige Höhle. Wobei riesig maßlos untertrieben war. Sie war enorm. Sie
war gigantisch. Sie war das maßloseste Synonym für groß, das mir gerade nicht
einfiel.
„Immerhin
gibt sie zu, dass ihr die Worte fehlen“, stellte ich fest.
Langsam
ging die Höhle in ein Gewölle über. Tapfer stapften wir eine ganze Weile im
dunklen Gewölle herum. Unsere Schuhe und Stiefel verfingen sich immer wieder in
dem weichen Zeug und ich hatte das Gefühl, dass wir nur langsam vorankamen.
„Bist
du sicher, dass du kein Gewölbe meinst?“, hakte ich bei der Autorin nach.
„Nein,
ich meine das große Gewölle. Siehst du nicht wie flauschig das hier ist?“,
antwortete die Autorin und ich ließ das Thema fallen.
Auch
das Ende des Gewölles kam langsam in Sicht – da sprang plötzlich ein Wesen
hinter einem riesigen Wollberg hervor. Das Monster grunzte nur, ein bösartiges,
niederträchtiges, grauenerregendes Grunzen.
„Irgendjemand
sollte ihr wirklich mal bei den Adjektiven helfen“, murmelte ich.
Allerdings
verstummte ich als ich die messerschafen Fangzähne des Monsters sah, das und
gegenüber stand. Als nächstes fiel mir auf weshalb wir es nicht früher gesehen
hatten. Der Rest seines Körpers bestand aus Wolle, die dieselbe Farbe hatte wie
der Untergrund des Gewölles. Wir waren in der Höhle eines Vampirschafs
gelandet.
Mein
Wissen über Vampirschafe, die während der Reise auf dem Weg nur kurz aufgekommen
waren, beschränkte sich darauf, dass sie einen sehr seltsamen
Schaf-Wach-Rhythmus besaßen, was mich bei Vampirschafen nicht besonders überraschte.
„Deine
Verwandschaf, Freundschaf?“, fragte meine Oma freundlich.
Natürlich,
ihr schrecklicher Optimismus. Freundschaf schien tatsächlich zu versuchen mit
dem Vampirschaf zu reden, denn es machte „Mäh!“ und gleichzeitig einen Schritt
auf das Vampirschaf zu. Dieses schnappte jedoch nach Freundschaf und das zog
sich einige Meter zurück. Soviel zu dem Plan.
Blue
legte die Hand an seine Schwertscheide und zog dann sein Dingsda, denn der
Autorin fiel das Wort nicht ein. Das brachte auch bei Blue das Fass zum
Überlaufen, denn der fuchtelte mit dem Schwert herum.
„Ernsthaft?!“
Blue hielt mitten im Angriff inne. „Wenn ich die Hand an die SCHWERTscheide
lege, dann ist das Wort, das du suchst, SCHWERT- Hnnngh… und untersteh dich mir
wieder eine Klobürste zu verpassen, nur weil du das Wort nicht tippen kannst!“
„Das
war eine Kloppbürste“, korrigierte die Autorin ihn. „Was wenn ich das Wort Schwert einfach nicht hinbekomme? Dann
ist es eben eine Kloppbürste geworden! Ihr habt’s doch überlebt, oder?“
„WENN
DU’S NICHT SCHREIBEN KANNST, DANN ÜB, VERDAMMT NOCHMAL!“, schrie Blue und hieb
nach dem Vampirschaf.
Das
wich aus und versuchte ihn mit seinen messerschafen Fangzähnen zu erwischen.
Falls es Freundschaf biss, würde sich das dann in ein Vampirschaf verwandeln?
Was, wenn es einen von uns biss? Würde es Auswirkungen haben? Würden wir uns in
Schafe, Vampire, oder Vampirschafe verwandeln?
Ich
konnte darauf verzichten es herauszufinden. Meine Oma hatte bereits ihren Starb
fester gepackt und versuchte einen Schlag zu landen. Leider stellte sich jedoch
heraus, dass der Starb keine Auswirkungen auf das Schaf hatte. Meine Vermutung
war, dass es schon tot war und deshalb nicht noch einmal getötet werden konnte.
Blue
und das Schaf tanzten mehrere Minuten umeinander herum. Das Schaf versuchte
immer wieder ihn zu beißen, erwischte jedoch nie mehr als Luft. Allerdings
konnte ich sehen, dass Blue langsam müde wurde. Die Paraden, mit denen er sich
gegen das Schaf verteidigte, wurden immer schwerfälliger und wo das Schaf am
Anfang des Kampfes mehrere Attacken gebraucht hatte, um einen Fast-Treffer zu
landen, geschah das nun alle paar Sekunden. Irgendwann musste einer davon
treffen.
Die
Lösung für unseren Gegner fand ich. Meine Wut auf die Autorin hatte die Feder
längst wieder dazu gebracht zu leuchten und mir war aufgefallen, dass das
Vampirschaf jedes Mal zurückwich wenn es in die leuchtende Feder blickte. Mit
weniger als einem Gedanken brachte ich das Licht dazu einen Kegel um uns zu
bilden. Das Vampirschaf stieß sofort einen heiseren Schrei aus und flüchtete
zurück in die Weiten des Gewölles. Immerhin das waren wir jetzt los. Nur Blue
meinte immer noch Schafe im Tunnel beobachten zu können, auch wenn ich eher
dachte, dass es Schatten waren.
Danach
war die Reise durch das Gewölle nur noch nervig, aber weniger gefährlich und
bald standen wir in einem Talkessel. Ringsum waren Berge, so hoch, dass man bei
einigen die weißen Gipfel nicht vom Himmel unterscheiden konnte.
„Ist
das hier schon Teil der Blockadenberge?“, fragte ich meine Oma.
„Es
sieht fast so aus…“, erwiderte sie verwirrt. „Aber dieser Durchgang ist
nirgends auf der Katze eingezeichnet.“
Es
wunderte mich nicht, dass sie die faltbare Katze auswendig kannte. In solchen
Dingen konnte man ihr normalerweise vertrauen. Selbst wenn sie sagte, dass wir
uns in einem Teil des NaNo-Landes befanden, den vorher nur wenige, wenn
überhaupt, Menschen betreten hatten und der nirgends verzeichnet war.
Die
nächste Überraschung war ein gigantisches Gebäude. Dass es sehr alt war, konnte
ich daran erkennen, dass es denselben Baustil hatte wie die Pilzizeistation,
das Gemeindehau und der Sonnenschrein. Das bedeutete es gab viele Säulen.
Außerdem war das Gebäude mit mehreren hohen Türmen versehen. Das bei weitem
Seltsamste an der Konstruktion waren jedoch die Beine, die ihm aus dem… Buch
sprossen? Das ganze Gebäude war auf einem gigantischen Buch errichtet worden,
aus dessen Einband mehrere Beine ragten, die die Bibliothek langsam aber sicher
vorwärts trugen. Auch hier machte der Name im Nachhinein Sinn. Allerdings hatte
ich mir nicht vorgestellt, dass „Wandernde Bibliothek“ so wörtlich zu nehmen
war.
„Es
gibt Legenden über die Wandernde Bibliothek“, sagte meine Oma. „Sie sind
tausende von Jahren alt. Damals wanderte sie auf unserer Seite der
Blockadenberge herum und es gab oft Sichtungen. Irgendwann muss die den Weg
hierher gefunden haben.“
„Meinst
du sie wird irgendwann wieder in die Nähe einer Stadt kommen?“, fragte ich
neugierig.
„Natürlich.
Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass das bald geschehen wird. Sie muss erst
vor Kurzem wieder in diesen Teil des Landes zurückgekehrt sein. Dafür, dass es
ein so riesiges Gebäude ist, kommt sie ganz schön schnell voran.“
Das
ließ sich nicht leugnen. Zwar standen wir hier erst seit etwa einer Minute mit
offenen Mündern, doch die Bibliothek hatte sich bereits einige Meter weitergeschleppt.
„Wie
kommen wir da rein?“, sprach ich schließlich die Frage aus, die allen durch den
Kopf gehen musste.
„Erstmal
hinlaufen“, meinte Blue sarkastisch. „Dann kann ja vielleicht einer von uns ein
Lasso da hochwerfen und raufklettern und die anderen hochziehen.“
„Das
wäre dann wohl dein Part“, konterte ich nüchtern. „Immerhin bis du derjenige
mit den Kraftpillen.“
„Ähm,
Leute? Es gibt eine Treppe“, vermeldete Hannes und deutete mit einem Finger
zwischen die zwei vordersten Beine.
Erst
jetzt sah ich die breite Treppe, die sich dort befand. Sie ging bis fast auf
den Boden und von dort… ich war mir nicht sicher, aber es sah aus als würde
eine Strickleiter auf der Erde schleifen damit man die Treppe erreichen konnte,
egal auf was für einem Gelände sich die Bibliothek befand.
„Na
dann woll’n wir mal“, seufzte Blue. „Sonst läuft uns das Ding noch weg.“
Wir
hatten die Größe des Tals unterschätzt und es kostete uns noch einmal eine
Stunde bis wir die Bibliothek erreicht hatten. Auch deren Größe hatten wir
unterschätzt, denn als wir vor ihr standen war sie gigantisch. Allein die Beine
waren größer als jeder Kirchturm. Ich fragte mich langsam wie dieses Ding im
Reich der Legenden hatte verschwinden können, denn es war wirklich nicht zu
übersehen. Gab es im NaNo-Land ein Reich der Legenden? Nicht nur als
Sprichwort, sondern als wirkliches Land? Es würde mich jedenfalls nicht
überraschen wenn wir einigen Dingen aus diesem Land begegnet waren, allen voran
die TSoD und der Starb.
Wir
hatten Glück. Da die Bibliothek gerade über bergiges Gelände marschierte
mussten wir uns nur auf einem Hügel aufstellen und warten, dass die Treppe auf
der richtigen Höhe war. Ansonsten wäre es für Freundschaf sehr schwierig
gewesen das Gebäude zu betreten, da es wohl kaum eine Strickleiter hochklettern
konnte.
Ich muss wieder mal sagen... von einem schwächer werdenden Schreibstil merk ich hier nichts.
AntwortenLöschenDas ist beruhigend. Ist mein Schreibstil denn soweit in Ordnung? Das ist ja praktisch so wie es aus meinem Kopf gekommen ist...
LöschenAlso ich finde ihn Klasse ^^ Und das ist bei mir ja auch nicht viel anders wenn ich schreibe XD
LöschenNaja, meine Geschichten will ich aber noch überarbeiten. Allerdings weiß ich da nie wo ich anfangen soll...
LöschenIch wär schon froh wenn ich mich überhaupt mal zu irgendeiner Überarbeitung aufraffen könnte...
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